Video_The Dead Don´t Die
Scripted Reality
Jim Jarmusch machte zuletzt Vampire zu Rockstars und Busfahrer zu Dichtern. In seinem jüngsten Film "The Dead Don´t Die" finden sich Kleinstadtpolizisten infolge einer Klimakatastrophe plötzlich in der Zombie-Apokalypse wieder. Das Ergebnis ist erwartungsgemäß so skurril wie schrullig und verquickt dabei geschickt klassische Zombie-Tropen mit Meta-Momenten und bissiger Persiflage auf die amerikanische Rechte.
10.01.2020
Es würde immer schwerer, Finanzierung für Filme zu erhalten, die etwas ungewöhnlich sind oder nicht den Erwartungen entsprechen. So klagte Jim Jarmusch im Jahr 2013 hinsichtlich seiner damaligen Vampir-Ballade "Only Lovers Left Alive". Für seinen neuen Film "The Dead Don´t Die" dürfte es ihm schon leichter gefallen sein, ein Budget zu erhalten. Schließlich sind Zombie-Filme weiterhin en vogue.
So lief im vergangenen Jahr der japanische Indie-Hit "One Cut of the Dead" in Europa an, genauso wie "Little Monsters" oder die Fortsetzung der Komödie "Zombieland". Entgegen diesen fand Jarmusch mit seinem Beitrag zum Subgenre eher wenig Anklang; als zu fad und prätentiös wurde der Film von den Kritikern erachtet. Dabei macht sich Jarmusch einfach einen Spaß auf Kosten unserer Gesellschaft.
"Das geht nicht gut aus", prophezeit Polizist Ronnie Peterson (Adam Driver) mehr als einmal in Jarmuschs Film. Immerhin fängt es schon nicht gut an, wenn er und sein Chef Cliff Robertson (Bill Murray) wegen eines vermeintlichen Hühnerdiebstahls den lokalen Eremiten Bob (Tom Waits) im Wald konfrontieren und beschossen werden. Und das ist nur ein Vorgeschmack auf den Horror, der sie die nächsten 48 Stunden erwartet.
Die Welt scheint aus dem Ruder gelaufen, nicht zuletzt deswegen, weil es selbst nach 20 Uhr noch taghell im Örtchen Centerville ist. Der Polizeifunk macht Faxen, Mobiltelefone haben keinen Akku mehr, obwohl sie erst frisch aufgeladen wurden. Die Gründe scheinen von Menschen gemacht, sind konkreter eine Folge ihrer Umweltsünden: Fracking an den Polarkappen führt zu einer Achsenstörung des Planeten. Wir ernten, was wir säen.
Seitens der Regierung wird das alles als wissenschaftliche Spinnerei verschrien. Unwetter und Klimakatastrophen werden nicht ernst genommen, auch wenn momentan im lokalen Leichenschauhaus zwei Golfer liegen, die vom Blitz getroffen wurden. Das geht nicht gut aus - zu der Erkenntnis kommen auch drei Insassen in der nahe gelegenen Jugendstrafanstalt, die das Unheil über ihr TV-Gerät verfolgen.
Den Braten gerochen hat auch Eremit Bob bereits vor langer Zeit und sich deshalb zurück zu seinen Wurzeln orientiert. Gierig nach mehr seien die Menschen, das ändert sich später auch nicht, als diese aus dem Leben scheiden und zu Untoten werden. Gratis-Fernsehen, WLAN-Empfang, Kaffee, Xanax oder Mode - auf zynische Weise und im Stil von George A. Romero läßt Jarmusch seine Zombies selbst im Tod noch dem Materialismus huldigen.
"Sie wandeln die ganze Zeit unter uns", singt derweil Sturgill Simpson im Titel-Song "The Dead Don´t Die" aus verschiedenen Lautsprechern. Lebend oder untot - für die Zombies macht das keinen Unterschied, während sich die Gesellschaft buchstäblich selbst zerfleischt. Daß dies keine originäre Sozialkritik ist, versteht sich von selbst; was aber auch nicht bedeutet, daß sie an Aktualität eingebüßt hat.
Jarmusch nutzt seinen Genrefilm somit zum einen für eine Breitseite gegen die Klimazerstörung und die damit einhergehende Ignoranz, zum anderen aber auch für Kritik an der amerikanischen Rechten. In MAGA-Manier trägt Farmer Frank (Steve Buscemi) da einen "Make America White Again"-Hut und lamentiert, schwarzer Kaffee sei ihm zu stark, während er Eremit Bob des Hühnerdiebstahls bezichtigt. Nicht wahrhaben will er, daß der wahre Übeltäter womöglich auch ein Fuchs sein könnte.
"Fox, my ass", ätzt er, während Jarmusch subtil eine Spitze gegen den gleichnamigen konservativen Fernsehsender schickt. Frank ist dabei nicht der einzige in Centerville, der womöglich etwas zu weit rechts steht, um das Bild in Gänze sehen zu können. Über verdammte Hipster und ihre Ironie schimpft auch der lokale Motel-Betreiber, als drei Großstädter (u. a. Selena Gomez) auf der Durchreise im Örtchen Halt machen.
Was fremd ist, wird skeptisch beäugt. Das schließt auch die neue Leichenbestatterin (Tilda Swinton) ein, die seltsam, da schottisch, ist - aber auch buddhistischer Samurai-Schwertkunst frönt. Einen wirklichen Durch- oder Überblick besitzt kaum jemand in "The Dead Don´t Die", außer eventuell denjenigen Figuren, die vorab das Drehbuch lesen durften.
Teils streut Jarmusch nämlich eine Prise Meta-Humor in seinen Film ein, wenn die Charaktere den Titel-Song des Films würdigen und diesen sogar innerhalb der Geschichte für 12 Dollar auf CD erstehen dürfen. Aber auch sonst gibt es zahlreiche subtile amüsante Momente - sei es, wenn Adam Driver das Polizeiradio auf die Frequenz 91,1 FM einpendelt oder Kindern jemanden mit den Worten "eat me" anherrschen.
"Irgendwie können wir dich sehen", sagt Bill Murray eingangs bei seinem Besuch von Eremit Bob. Damit könnte er im Grunde auch "The Dead Don´t Die" selbst meinen. Der Film ist ein ulkiger Spaß mit Star-Besetzung - in Nebenrollen tauchen Chloë Sevigny, Danny Glover und Iggy Pop auf -, der seinem Regisseur die Chance für ein paar Seitenhiebe auf seine Landsleute bietet ... und dem Zuschauer Gelegenheit, sich köstlich zu amüsieren.
Als "müden Zombie-Ball" qualifizierte "Der Standard" den Film dafür ab, für "Spiegel Online" puzzelte der Regisseur wiederum "denkfaul" Genrezitate zusammen. Dies ist ein Eindruck, der fraglos auf Jarmuschs unauffälliger, lakonischer Inszenierung fußt, deswegen aber nicht zwingend mit Lethargie gleichzusetzen ist.
Vielmehr ist "The Dead Don´t Die" ein launiger Genrebeitrag, bei dem sich selbst Bill Murray mehrfach das Lachen vor der Kamera verkneifen mußte und der am Ende das ist, was von einem Jim-Jarmusch-Zombie-Film zu erwarten war. Oder wie Sturgill Simpson singt: "Old friends walking ´round, in a somewhat familiar town".
Florian Lieb
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