Kino_True Grit

Vergelt’s der Duke!

Seit dem Oscarerfolg von "No Country For Old Men" gelten sie als die Unfehlbaren. Auch mit ihrem jüngsten Western sind die Coens wieder für unzählige Academy Awards nominiert und lieferten zugleich den erfolgreichsten Film ihrer Karriere ab.    21.02.2011

Wie viele große Hollywood-Stars war auch Marion Robert Morrison, besser bekannt unter seinem Bühnennamen John Wayne, eine ambivalente Figur. Mit problematischen Äußerungen über US-amerikanische Ureinwohner, Afroamerikaner und Sozialismus machte sich Wayne, den man "the Duke" nannte, nicht nur Freunde (so hatte Josef Stalin einst ein Attentat auf ihn geplant).

Dennoch galt der Duke vor allem als Patriot und wurde verständlicherweise zur amerikanischen Ikone. Seinen einzigen Oscar erhielt er dabei für seine Rolle in "Der Marshal". Daß dieser nun ein Remake erfährt, das nicht als Leichenfledderei anmutet, verdankt man sicherlich den Umständen.

 

Zuvorderst ist "True Grit" weniger ein Remake denn eine weitere Adaption des gleichnamigen Romans von Charles Portis. Die Coen-Brüder Ethan und Joel orientierten sich mehr an der Vorlage als dies bei der Wayne-Verfilmung auf der Agenda stand, ohne es jedoch zu versäumen, dem Duke entsprechend Reverenz zu erweisen.

So folgt auf den Duke in der Hauptrolle nur konsequent der Dude. Nach seinem Oscar als bester Darsteller in "Crazy Heart" kann Jeff Bridges, ohnehin mit einem Sympathienimbus ausgestattet, kaum Respektlosigkeit gegenüber der Rolle vorgeworfen werden. Im Gegenteil, schnallt er sich doch sogar jene Augenklappe um, die der einäugige Held in Portis’ Roman vermissen läßt.

 

Sowieso rückt "Der Marshal" in weite Ferne, bedenkt man, daß den Coens nicht nur der finanziell einträglichste Western seit Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" gelang, sondern - mit einem Einspielergebnis jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke sowie 10 Oscarnominierungen - zugleich der erfolgreichste Film ihrer bisherigen Karriere.

Gewohnt schwarzhumorig erzählen sie in "True Grit" die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld), die den versoffenen, einäugigen US-Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges) für 50 Dollar anheuert, um Tom Chaney (Josh Brolin), den Mörder ihres Vaters, zu überführen. Auf ihre Suche nach Chaney erfahren sie schließlich zusätzliche Unterstützung durch den Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon).

 

Obschon sich auch in ihrem jüngsten Werk wieder viele stilistische Merkmale der Brüder finden lassen - von den schrulligen Figuren wie Cogburn und LaBoeuf bis hin zu schnellzüngigen Tischdialogen -, leidet "True Grit" zugleich an den damit oft Hand in Hand gehenden narrativen Unausgewogenheiten.

Die eigentliche Handlung wirkt bisweilen sehr konstruiert, und die Coens versäumten es, sie inhaltlich kohärenter oder zumindest glaubwürdiger zu gestalten. So trabt Mattie in einer charakterbildenden Szene mit ihrem Pony durch einen Fluß, während zuvor Cogburn und LaBoeuf für dessen Überquerung eigens einer Fähre bedurften. Auch die Einleitung zur finalen Klimax erinnert stark an einen Deus ex machina.

 

Und wie so oft bleiben dem Zuschauer die coen’schen Charaktere emotional weitestgehend unnahbar. Jeff Bridges’ versoffener Marshal wirkt in der Tat so, als ob der Dude einen auf Duke macht, wohingegen Matt Damons selbstüberzeugter LaBoeuf in seiner karikierten Art wie ein Spiegelbild seines Mark Whitacre aus "Der Informant" erscheint. Über beide Figuren läßt sich allenfalls schmunzeln, über ihre den Hollywoodnormen folgende Katharsis im Finale dagegen weniger.

Klare Identifikationsfigur soll und muß daher die von Hailee Steinfeld (immerhin sehr überzeugend) gespielte Mattie sein, deren Vendetta angesichts ihres Alters und der bereitwilligen Vernachlässigung von Seiten der Mutter allerdings etwas befremdlich anmutet. Daß die Coens zudem interessante Figuren wie Josh Brolins Chaney oder einen Lucky Ned Pepper (Barry Pepper) in ihrer Eindimensionalität vergammeln lassen, ist da umso bedauerlicher.

 

Von technischer Seite ist "True Grit" jedoch wie alle Coen-Filme über jeden Zweifel erhaben. Zeigte sich bereits in Andrew Dominiks "Die Ermordung von Jesse James durch den Feigling Robert Ford", daß die verwahrlosten Weiten des Wilden Westens eine metaphorisch dichte und atmosphärisch stimmige Kulisse abgeben, wird dies von Roger Deakins’ kalten Bildern nochmals untermauert.

Carter Burwells Komposition zählt, auch wenn sie manch humoristischen Aspekt konterkariert, zu den gelungensten Eigenschaften des Filmes. Wären die Werke der beiden Brüder - die immerhin schon zwei Drehbuchoscars verliehen bekamen - von inhaltlicher Seite stets ebenso gekonnt in Szene gesetzt wie dies bei Kamera, Licht, Schnitt und Musik der Fall ist, hätte auch das Publikum mehr davon.


"Joel und Ethan Coen stehen für erstklassiges amerikanisches Independent-Kino", hat Berlinale-Direktor Dieter Kosslick über seinen diesjährigen Eröffnungsfilm in der deutschen Zeitschrift Der Spiegel kundgetan. Mit Independent-Kino haben die Coens  dabei spätestens seit "Ein (un)möglicher Härtefall" nicht mehr viel zu tun, kosteten ihre letzten fünf Filme doch durchschnittlich fast 40 Millionen Dollar.

Allerdings zeigt Kosslicks Äußerung sehr gut die Wahrnehmung der Brüder beim Publikum, das sie seit "No Country For Old Men" eben oft als larger than life verklärt. Letztlich ist "True Grit" eine annehmbare Western-Komödie, deren erstklassige technische Inszenierung manchen erzählerischen Fauxpas zu kaschieren vermag.

Florian Lieb

True Grit - Vergeltung

ØØØ

True Grit

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2010

110 Min.

 

Regie: Ethan Coen, Joel Coen

Darsteller: Jeff Bridges, Matt Damon, Hailee Steinfeld u.a.

 

Links:

offizielle Filmseite (engl.)

offizielle Filmseite (dt.)

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