Musik_Hoda Mohajerani - Arrivals

Stop pussy-footing around!

Daß der sogenannte Underground zum Brodeln neigt, darf vorausgesetzt werden. Daß dabei Hitze entsteht, ebenso. Manch wohlmanikürtes Händchen von Herrn und Frau Musikindustrie wärmt sich zuweilen gern daran; die Angst, sich die Finger zu verbrennen, überwiegt jedoch meist ...    01.04.2012

Daß man auf die Art natürlich vieles versäumt, beweist eine der interessantesten Künstlerinnen, die es momentan zu bestaunen gibt: Hoda Mohajerani, Singer-Songwriterin, Gitarristin, Poetin, aber zuallererst eine unglaublich zähe Kämpferin, wenn es um ihr künstlerisches Sein geht.

Ihre Familie verläßt ihre Heimat - den Iran -, als die Folgen der klerikalen Revolution nicht länger zu ertragen sind, und emigriert nach Paris. Hoda kompensiert das Gefühl, fremd zu sein, mit der Musik von Dylan, den Doors, Zeppelin, Patti Smith und Konsorten, die alle eine gewisse Meisterschaft im Fremdsein erlangt haben, was sie als Tröster und Wegweiser mehr als qualifiziert.

 

Als junge Erwachsene kehrt Hoda auf der Suche nach möglichen Wurzeln in den Iran zurück. Die alte Heimat stellt sich aber bald nur als Zwischenstop heraus, die nächste Station ist London und die übernächste bereits Wien, wo sie nicht nur die Liebe ihres Lebens trifft, sondern auch ernsthaft beginnt, das inzwischen angesammelte Songmaterial zu sichten und zu kategorisieren.

2009 liegt eine ansprechende Auswahl in Demoform vor, mit der sie sich wieder einmal auf die Reise begibt. Als Begleiter stellen sich nach und nach der kroatische Drummer Sasa Nikolic, Austrialienimport Trent Arkwelder an der elektrischen Gitarre, Mandoline und anderen Saiteninstrumenten, Andreas Hamza - ebenfalls an der Elektrischen - und dazu der fabelhafte Rue Kostron am Baß ein.

Nach intensiver Probentätigkeit begibt sich die Formation ins "Refugium", ein Aufnahmestudio in Prigglitz, um unter der Leitung von Andreas Hamza am Feinschliff zu arbeiten und zu selektieren. Die Songs "Whole", "Arrivals", "Jonah", "Cheatin´ Death" und "Phantasm", allesamt Eigenkompositionen der Künstlerin, schaffen es bis in die Endrunde. Zuletzt gelingt es Hoda im Februar 2011 dann, Andy Jackson - seines Zeichens Engineer bei Pink Floyd - für das Mastering der EP zu gewinnen.

 

Live vorgestellt wird "Arrivals" am 28. 10. 2011 im Ost-Klub. Begleitet von ihren hervorragenden Mitmusikern schlägt Hoda einen gekonnten Bogen von 70er-Rock bis zu zeitgemäßem Pop und Folk - ein perfektes Feature für ihre poetischen Texte.

Die Rotzigkeit des Punk darf im Programm natürlich nicht fehlen. Zwar ergibt sich selbige an diesem speziellen Abend auch durch eine fürchterliche Grippe, die die Künstlerin plagt - aber egal: Die Performance wird von einem begeisterten Publikum ausgiebig gefeiert.

 

Schauen wir einmal, ob sich die Herren und Damen Musikindustrie diesmal nahe genug an den kochenden Untergrund wagen. Zu hoffen wäre es.

Claudia Jusits

Hoda Mohajerani: Arrivals

ØØØØ

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EP, Selbstverlag

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