Stories_Heavy Metal - Vol. 1

668 - The Neighbour Of The Beast

Heutzutage splittert sich das Genre "Metal" in unzählige, fast unüberschaubare Subgenres auf, aber: Damals, in den frühen 80ern, gab es Heavy Metal oder eben Nicht-Heavy-Metal, so einfach war das. Oder doch nicht? Claudia Jusits schüttelt andächtig die Mähne und präsentiert ihre persönliche Schwermetall-Compilation.    21.05.2008

Zu den gängigen Erklärungsmodellen, was Heavy Metal denn nun eigentlich sei, gehört unweigerlich: so ähnlich wie Hard Rock, nur viel viel härter und ohne Keyboards, die sowieso das Letzte vom Letzten sind und laut Gene Simmons nur mit auf die Bühne dürfen, um dort hochoffiell gesprengt zu werden. Um diverse Tour-Versicherungen nicht überzustrapazieren, verbannte man die Tasteninstrumente dann meist hinter den Vorhang, damit der Blick auf DAS Handwerkszeug schlechthin nicht verstellt wurde: die Gitarre.

Genauer gesagt, nicht die akustische Lagerfeuer-Schwachmatiker-Klampfe, sondern das Elektro-Ruder, die Axt, der Riffbrater, die, wenn schon nicht Penisverlängerung, dann doch auf jeden Fall Pubertätsstütze - ist ja auch viel besser, als sich mit dem Tennisschläger vor dem Spiegel zu verrenken.

Während die unkundige "Außenwelt" einen direkten Bezug vom keulenschwingenden zum gitarreschwingenden Neandertaler herzustellen versuchte, brach in diversen Jugendzimmern und Proberäumen die große Zeit der guitar heroes an - und mit ihr der Siegeszug des klassischen Heavy Metal. Wobei sich Fans des Genres sowie jeder halbwegs ambitionierte Musikschaffende in der Einschätzung der glorreichen Vorväter hundertprozentig einig waren.

 

Natürlich war es Hendrix, der als erster den Lautstärkeregler sowohl auf dem Instrument als auch auf dem Verstärker in die richtige Richtung gedreht hatte. Ohne ihn hätte es keinen Hard Rock gegeben, der sich langsam, aber sicher aus der Traurigkeit des Blues herausgewunden hat und mit Deep Purple, Led Zeppelin, Uriah Heep, Steppenwolf, Cream, Blue Cheer und nicht zuletzt Black Sabbath zu einem wirklich bösen Tier wurde, das im Jahr 1980 seine ersten Opfer forderte - und zwar im Februar Bon Scott, AC/DC- "Frontsau", und im September Led Zeppelins John Bonham, drummer extraordinaire.

Damit war die heißeste Phase des Hard Rock erst einmal stark abgekühlt. Doch ihn endgültig zu Grabe tragen zu wollen, hieße "to bury a kicking corpse". Soweit war es noch lange nicht, obwohl da am Horizont ein ganz eigenes Phänomen auftauchte, das sich für den Beginn der 80er als symptomatisch erweisen sollte: die New Wave of British Heavy Metal (NWoBHM).

 

DJ Neal Kay prägte diesen Begriff für ein Sammelbecken junger Bands wie Angel Witch, Samson oder Diamond Head, die den Heavy Rock der ausklingenden Siebziger mit der Rauhheit des Punk kombinierten und so eine ganz eigene Sparte schufen. Noch heute erfolgreiche Formationen wie Iron Maiden, Judas Priest oder Motörhead werden im weiteren Sinne ebenfalls der NWoBHM zugerechnet, da sie mit stilprägenden Alben am Aufschwung der britischen Metal-Szene beteiligt waren bzw. von ihr profitierten.

Obwohl ursprünglich auf die Insel beschränkt, entwickelte sich die NWoBHM zu einer weltweiten Massenbewegung und steht heute symptomatisch für klassischen Heavy Metal. Das klassische Schwermetall fungierte seinerseits für die nächste Generation als musikalisches Sprungbrett und bildet in dem sich auffächernden Spektrum verschiedenster Metal-Spielarten den gemeinsamen Nenner.

Kurzum: Muse hin, Slipknot her, und ob mit oder ohne Elektroklavier - lauschen Sie einfach der folgenden ganz privaten Auflistung meiner Lieblingskopfnicker und erfahren Sie, wie alles begann. Keep on rocking!

Claudia Jusits

1. Judas Priest: "Breaking the Law"

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Veröffentlicht 1980, aufgenommen in John Lennons Villa "Tittenhurst" (jaja, geiler Name - "British Steel", den Albumtitel meine ich ...). Priest haben immer gerne mit Sound-Effekten experimentiert; bei diesem Album rasselte man unter anderem mit einer Bestecklade, verfremdete diese Tonspur und funktionierte sie mittels bombastischem Hall zu einer Rhythmussequenz um.

 

Warum dabei?

 

"Breaking the Law" ist einer DER Metal-Klassiker. Muß jede neue Band spielen können - viele tun es auch, und so existieren zahlreiche Cover-Versionen. Sänger und Metal-Hero Rob Halford gibt den "angry young man" in Leder und Kettenhemdchen, direkt aus der einschlägigen Club-Szene. Für die Fangemeinde hingegen immer straighter als straight, daran konnte und wollte sein späteres outing auch nichts ändern.

Links:

2. Motörhead: "Ace of Spades"

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Bei Hawkwind mehr oder minder hinausgeworfen, gründete Lemmy Motörhead und erarbeitete sich einiges an lokaler Popularität. "Ace of Spades" aus dem Oktober ´80 ebnete seinen Weg in die Vereinigten Staaten, machte die Band weltweit bekannt und Lemmy zum Prototypen des unbeirrbaren, mittlerweile von einigen Generationen geachteten Rock´n´Rollers.

 

Warum dabei?

 

Damit diese blutleeren, nichtrauchenden Mittelschülerbands merken, wie das wirklich aussieht, wenn Metal gespielt UND gelebt wird.

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3. Iron Maiden: "Number of the Beast"

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Ultrakonservative Gruppen outeten diesen Song im Jahre des Widersachers des Herrn 1982 nach dem Motto "Also doch!" als eine Art Satanisten-Vaterunser. Das ist natürlich Blödsinn, aber um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, müßten sich die Herrschaften den Text durchlesen.

Anyway, "Beast" featured in erster Linie den Neuzugang Bruce Dickinson, der Paul Di´Anno seinerzeit zum Leidwesen der Fans als Sänger ablöste - keine schlechte Idee im nachhinein. Das Album "The Number of the Beast" schießt auf Platz eins der englischen Charts und bleibt 20 Wochen in den US-Album-Charts.

 

Warum dabei?

 

Ohne Maiden hätte unser aller Lieblings-Metal-Maskottchen Eddie niemals das Licht der Welt erblickt. Welch entsetzliche Vorstellung! Eddie kämpft im "Beast"-Video immerhin gegen den Teufel. Später tritt er aber auch gegen Frau Thatcher an - ein Zusammenhang darf wohl hergestellt werden.

Links:

4. Rainbow: "Stargazer"

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Natürlich ist der Blackmore bei Elf, der Band, in der Ronnie James Dio gesungen hat, einmarschiert wie die Wehrmacht in Polen, ABER: Das Ergebnis ist weitaus überzeugender, wie das Paradebeispiel "Stargazer" zeigt. Hier fahren Bombast und Kitsch wie Thelma und Louise über den Abgrund des Erträglichen, ABER es macht unheimlichen Spaß. Dio singt wie ein Gott, und der Mann, der keine Spiegel mag (hat wohl nie einen Tennisschläger besessen ...) bleibt dem kleinen Padavona nichts schuldig.

 

Warum dabei?

 

Würde eines der silbernen Raumschiffe auf der Erde landen und seine grünen Männchen in einen Metal-Club schicken, in dem stark akoholisierte Menschen gemeinsam mit ungelenk rudernden Bewegungen dirigieren, dann liefe dort mit großer Sicherheit "Stargazer" im Hintergrund.

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5. Venom: "7 Gates of Hell"

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Vielen, die diesen Song das erste Mal hörten, hätten schon vier der sieben Tore gereicht, so furchterregend präsentierten Venom ihr Glaubensbekenntnis. Das Trio infernal aus Newcastle überraschte die gesamte Metal-Welt mit seinen kompromißlos schlechten Kompositionen, die von einem Großteil der Gitarrensolo-Freaks als schlichter Mist abgelehnt wurden. Kaum jemand erkannte den hohen Ironie-Faktor der Band. Grimmige Nordländer zählen sie zu ihren Vorbildern, vergessen aber, daß Menschen, die sich Mantas, Cronos und Abbadon - die Musketiere des Satans quasi - nennen, viel lachen.

 

Warum dabei?

 

"7 Gates of Hell" gilt mit schlechtem guten Gewissen als Black-Metal-Vorläufer und war anno dazumal perfekt geeignet, Eltern und Lehrern einen tüchtigen Schreck einzujagen. Das war noch nie ein schlechtes Verdienst.

Links:

6. Twisted Sister: "We´re Not Gonna Take It"

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Diese Hymne spiegelt wie kaum eine andere das ganz spezielle Metal-Lebensgefühl wieder. Dee Snider kann sich außerdem zugutehalten, Altmeister Alice Cooper wiederbelebt zu haben. Sniders Auftritt bei einer Anhörung durch die PMRC, bei der er Tipper Gore vorgeführt hat wie eine perverse Pute, verdient nachträglich eine ganz besondere Würdigung.

 

Warum dabei?

 

"We´re Not Gonna Take It" führt eine ganze Reihe ewig gültiger Protestsongs fort, ohne in Weinerlichkeiten zu verfallen. Ein schönes Statement für Standhaftigkeit im besten Sinn.

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7. Ozzy Osbourne: "Bark at the Moon”

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Tja, über Ozzy zu schreiben, heißt wohl Eulen den Kopf abbeißen. Einen Versuch ist es trotzdem wert: "Bark at the Moon" (aus dem gleichnamigen Album) ist einer der besten Songs des selbsternannten Madman, der uns nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seiner partiell unmöglichen Familie große Freude bereitet hat. Ozzys Organ gehört mit Sicherheit zu den prägnantesten Metal-Stimmen. Er verfügt zwar nicht über den Stimmumfang eines Dio, setzt seine Vocals aber perfekt in Szene.

 

Warum dabei?

 

Nicht nur wegen des Songs, sondern auch, weil die filmische Umsetzung, in der sich Ozzy äußerst überzeugend in einen Werwolf verwandelt, in keiner Metal-Sammlung fehlen darf.

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8. Metallica: "Master of Puppets"

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"Master of Puppets", von Flemming Rasmussen 1986 produziert, ist mit seinen acht Minuten eine geniale Kombination aus Thrash und traditionellem Metal. Da fehlte dem Headbanger nichts - und die Feinschmecker mußten zugeben, daß Metallica durchaus in der Lage sind, ihre Instrumente ansprechend zu bedienen.

 

Warum dabei?

 

Als eine der letzten Aufnahmen des unvergessenen Cliff Burton eine wehmütige Reminiszenz an einen der besten Bassisten des Genres. Das gleichnamige Album war Metallicas drittes, gemäß dem Motto "make it or break it". Und: "they made it".

Links:

9. AC/DC: "Highway to Hell"

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Wer würde nicht gerne die Auffahrt zu dieser Autobahn nehmen, wenn er/sie das unnachahmliche Anfangs-Riff hört? Spätestens, wenn Bon Scotts kratzig-rotzige Stimme einsetzt, ist der Blinker schon an und der Fuß am Gaspedal. Die Zigarette qualmt, der Refrain wird mitgegrölt - schon ist die Welt ein Stückchen mehr in Ordnung.

 

Warum dabei?

 

Selten wurde so eindringlich besungen, wohin der Metaller/die Metallerin nach dem Exitus zu gelangen wünscht. Bon Scott hat sich diesen Wunsch leider allzufrüh erfüllt.

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10. Warlock: "Earthshaker Rock"

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Warlock etablierten sich in der Szene als Speerspitze des Euro-Metal, wenn ihnen die Fachpresse auch eine allzu einfache Machart vorhielt. Doro Peschs Stimme war dann doch zu überzeugend, um überhört zu werden, gilt sie doch ebenfalls als Vorbild vieler weiblicher Metal-Musikerinnen.

 

Warum dabei?

 

Doro war mit Warlock die erste Frau, die beim Castle-Donington-Festival aufgetreten ist. Soweit bekannt, sind keine Schweineköpfe auf der Bühne gelandet - und Frau Pesch konnte sich vom Düsseldorfer Fräuleinwunder zur ernsthaften Musikerin etablieren.

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Kommentare_

Heidelinde - 21.05.2008 : 21.58
Claudia, das ist ein großartiges Gschichtl. Bravo!!!!!
Andi - 26.05.2008 : 18.11
hi claudy! tolle auflistung, aber das black acid-album geht mir ab... lg andi
Martin Compart - 02.06.2008 : 09.47
Dank Deiner großartigen Story ist mir mal wieder klar geworden, dass ich keinen Schimmer von dem Genre habe (klar, ´n bißchen Metallica und Dickinson habe ich schon mitgekriegt). Mit Deiner Liste in der Hand werde ich mal einen Annäherungsversuch starten.
Matthias P. - 05.06.2008 : 10.59
Super. Klasse, dass auch "Stargazer" dabei ist. Wenn man -wie du- v.a. in den 80ern bleibt, müsste man beim Blick über den Britischen Tellerrand hinaus aber auch "Battle Hymns" von Manowar anbringen, oder? Und aus Deutschland eher was Frühes von Accept - ob's einem gefällt oder nicht. In <i>Kerrang!</i> wurden die ernst genommen, weil sie so außerhalb der salonfähigen Konventionen agierten ... und auch bei Leserumfragen hoch im Kurs war (außer den genannten, also Angus Young, Metallica, Maiden usw.) auch Michael Schenker - wegen Debüt und na klar einem der Metal-Ur-Alben, dem Live-Doppelalbum von UFO.<p>Über "Bark At The Moon" kann man anderer Meinung sein (logo), der Begriff NWOBHM stammt mit ziemlicher Sicherheit von <i>Sounds'</i> Alan Lewis, Geburtshelfer auch bei <i>Kerrang!</i>...

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