Stories_Compart-Fortsetzungskrimi

Die Lucifer-Connection #4

Vor acht Jahren veröffentlichte Martin Compart seinen ersten Roman "Der Sodom-Kontrakt" rund um den Privatdetektiv und Ex-Söldner Gill. Das Sequel zum "politisch inkorrekten Anti-EU-Thriller" gibt´s ab sofort exklusiv im EVOLVER. "Die Lucifer-Connection" handelt von verschwundenen Katzen und okkulten Menschenopferungen - von Dortmund über Sierra Leone und London bis Wien. Schnallen Sie sich an!    02.10.2009

Als andere noch Ferien machten, begann der EVOLVER seine Leser mit einem wahren Noir-Schatz zu beglücken. Martin Comparts neuer Roman "Die Lucifer-Connection" erscheint seit kurzem in kurzen, konsumentenfreundlichen Abständen als Fortsetzungskrimi auf unseren Web-Seiten.

In Kapitel 3 erfuhr die geneigte Leserschaft einiges über organisierte Katzenentführungen - und die dahinterstehende Pharmaindustrie, deren Versuchslabors von solch üblen Machenschaften profitieren. Diesmal geht´s im Wittener noir um nymphomanische Polizeidirektorinnen und einen Fund, bei dem selbst erfahrenen Ermittlern das Grausen kommt.

 


Polizeidirektorin Alexa Bloch war gerade vom Schwanz des jungen Bauarbeiters abgestiegen, als Domogalla Sturm klingelte. Der Junge hatte ihr den ganzen Tag Vergnügen bereitet und sie dreimal zum Orgasmus gebracht. Er war genauso gut wie der Pornodarsteller, den sie letzte Woche abgeschleppt hatte. Aber wie Messalina, so schien es ihr, konnte man sie nur ermüden, aber nie befriedigen.

Sie zog sich einen Bademantel über und öffnete die Haustür ihrer kleinen Villa in der Dortmunder Gartenstadt.

"Ich habe einen freien Tag, verdammt nochmal."

"Ich auch, Chefin. Der Idiot ist überfordert." Domogalla berichtete ihr von Igels Anruf.

"Na schön. Ich ziehe mich an und komme. Wir fahren mit Ihrem Wagen." Domogalla hatte damit gerechnet, hineingebeten zu werden. Wahrscheinlich hatte sie einen Beschäler im Haus. Es gab da so einige Gerüchte über Alexas Sexleben ... Tief durchschnaufend ließ sich Domogalla in den Fahrersitz fallen. Das Auto ächzte unter seinem Gewicht. Er stellte das Radio an. Ach du Scheiße! Dieter Bohlen. Modern Talking. Gill hatte mal gesagt, im Grunde gäbe es keine schlechte Musik, nur unterschiedliche Geschmäcker. Der einzige Beweis dafür, daß es wirklich schlechte Musik gibt, sei Dieter Bohlen. Domogalla konnte dem zustimmen und stellte lieber einen Sender mit hirnabschmirgelnden Werbespots ein. Alles ist besser ...

Alexa hatte schlecht gelaunt die Tür hinter sich zugeworfen. Durch den kühlen Flur über den Marmorboden ging sie in den Wohnbereich zurück. Der junge Mann hatte sich seine Boxershorts angezogen und sah ihr unsicher entgegen.

"Ich muß weg."

"S ... soll ich hier auf dich warten?"

"Sinnlos. Ich weiß nicht, wie lange es dauert. Geh bitte über die Terrasse am Pool vorbei durch die Gartentüre. Ich melde mich bei dir."

Resigniert sammelte er seine Kleidung ein. "Wie du willst."

Alexa gab ihm einen Kuß auf die Wange. "Du warst wunderbar."

Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. "Du auch. Ich hatte noch nie ..."

"Ich weiß." Sie tätschelte seine Wange und ging die Treppe hinauf zu ihren Baderäumen.

Flüchtig erneuerte sie vor dem Spiegel ihr Make-up. Sie war eine große Blondine mit atemberaubender Figur. Auf Männer wirkte sie so lange anziehend, bis sie in ihre kalten blaugrauen Augen sahen. Dann verwandelte sich ihre Geilheit in Angst. Nicht unbedingt ideal für eine Disposition, die sie selbst am Rande zur Nymphomanie ansiedelte, aber tatsächlich längst überschritten hatte. Die nachgezogenen Augenbrauen über den großen, unbeteiligten, fast verächtlich blickenden Augen gaben ihrem Gesicht einen ironischen, desinteressierten Ausdruck. Sie war nicht nur die einzige weibliche Abteilungsleiterin, sondern auch die jüngste Chefin einer ständigen Mordkommission und vor kurzem zur Kriminaldirektorin befördert worden. Die ehrgeizige Tochter eines Richters und einer Rechtsanwältin war der Shooting-Star beim Bundeskriminalamt gewesen. Man hatte sie sogar in die FBI-Akademie von Quantico geschickt, wo sie im Behavioral Science Unit, Abteilung für Verhaltenswissenschaft, Profiling und Verhörtechnik studiert hatte. In ihren Adern floß Eiswasser, aber wer ihr blöde kam, verbrannte sich.

 

***

 

Kritisch musterte sie die ersten Falten an den Augen. Der Job ließ sie früher altern als erwartet. Und er hatte sie hart gemacht. Sie zog Jeans und T-Shirt an. Als sie die Treppe wieder hinunterging, stellte sie zufrieden fest, daß sich ihre jüngste Eroberung aus dem Staub gemacht hatte. Sie zog ihre Reeboks an und griff sich im Vorübergehen eine Lederjacke, aktivierte die Alarmanlage und schloß hinter sich ab. Gelangweilt sah ihr Domogalla zu. In der Nahrungskette war er hinter Alexa der Zweite in der Mordkommission. Trotz seiner Macho-Philosophie hatte er kein Problem mit einer weiblichen Vorgesetzten. Alexa war clever und hatte Erfolge. Das konnte er neidlos anerkennen. Außerdem ließ sie nur selten den Boß raushängen und setzte auf Team.

Sie schlug die Tür zu und rückte sich auf dem Beifahrersitz zurecht. "Könnte noch regnen."

"Hoffentlich. Diese Schwüle schafft mich."

"Denken Sie an die Spuren. Worum geht es eigentlich?"

"Sind Sie schon mal aus Igels Gestammel schlau geworden? Besonders, wenn er aufgeregt ist."

Jetzt tönte auch noch Jürgen Drews aus dem Radio.

"Mein Gott, stellen Sie das ab!"

"Ich bewundere diesen Mann."

"Soll das in Ihre Personalakte?"

"Er hat bewiesen, daß man aus Scheiße Geld machen kann."

Domogalla fuhr auf den Ruhrschnellweg, übertrat Geschwindigkeitsbegrenzungen und raste Richtung Soest. Über Handy ließ er sich mit Müh und Not von Igel erklären, wo er abfahren sollte und wie sie zu ihm kämen.

"Wie geht es Ihrem Vater?"

"Immer dasselbe. Liegt apathisch rum und erkennt mich fast nie."

"Sind Sie mit dem Heim zufrieden?"

"Ich werde denen mal auf den Zahn fühlen müssen. Das Sozialamt zieht mich aus. Ein Viertel meines Gehalts muß ich zuschießen."

"Falls ich etwas tun kann oder Sie Rückendeckung brauchen, sagen Sie es mir."

"Er hat fünfzig Jahre gearbeitet und jetzt soll seine Rente nicht ausreichen, daß man ihn einmal am Tag umdreht und ihm den Arsch abwischt? Und ich beschütze dieses Scheißsystem auch noch."

"Wir kümmern uns um etwas mehr Gerechtigkeit."

Domogalla lachte freudlos. Er mußte schon außergewöhnlich dämlich sein, daß er sich nicht noch mehr Vorteile verschaffte als ohnehin schon. Bisher machte er nebenher nur kleines Geld. Das mußte sich ändern.

 

***

 

Alexa mochte Domogalla. Er war ihr Mann fürs Grobe. Vor ein paar Monaten hatten sie gegen einen Kinderschänder ermittelt. Der hatte irgendwie Wind davon bekommen und alle Beweismittel beiseitegeschafft. Sie hatten nichts mehr gegen ihn in der Hand. Ich weiß, wie diese Typen ticken. Die verbrennen ihre Bilder oder Videos nicht. Der hat die irgendwo gebunkert, hatte Domogalla ihr gesagt. Dann hatte er den Kinderschänder nachts besucht und aus ihm herausgeprügelt, wo der Typ seine Trophäen versteckt hatte. Damit konnten sie ihn festnageln. Der Anwalt des Päderasten hatte keine Chance gehabt. Domogalla hatte ein wasserdichtes Alibi: Er war zum fraglichen Zeitpunkt Kunde im "Hasenhaus" von Karibik-Klaus gewesen, was dieser und mehrere Mitarbeiterinnen bezeugt hatten. Was das für seinen Ruf und seine Personalakte bedeutete, war Domogalla völlig egal. Alexa hatte nur Angst, daß er einmal zu weit gehen würde. Domogalla hatte im Präsidium nicht viele Freunde.

Nach einer Viertelstunde verließen sie die Autobahn und fuhren durch kleine Wälder. Schließlich gelangten sie zu einer Moorlandschaft. Als sie parkende Streifenwagen und den Kleintransporter der Spurensicherung sahen, hielt Domogalla an. Sie stiegen aus und folgten den Stimmen durch einen Trampelpfad, der zwischen jungen, aber schon beachtlich hochgeschossenen Bäumen hindurch führte. Vor ihnen lag ein breites Feld. In der Mitte eine Grube, die von Polizisten ausgehoben wurde. Die Spurensicherung und einige Beamte befanden sich mitten in ihr. Kolleck, der bärenhafte Chef der Spurensicherung, winkte Alexa zu. Sein angespanntes Gesicht sagte ihr, daß dies kein normaler Leichenfund war. Auch Alexa und Domogalla sahen auf Anhieb, worum es sich handelte.

"Ein Massengrab, verflucht."

Igel kam aufgeregt auf sie zugelaufen. Klein und dick, wie er war, machte ihm das auf dem unebenen Boden Mühe. Er stolperte über einen Gegenstand, fing sich aber im letzten Moment. Einige Polizisten bauten ein Zelt über der Grube auf, um sie vor dem entfernt grummelnden Gewitter zu schützen.

"Chefin, das ist ne echt grauenhafte Sache. Die örtliche Dienststelle hat mich vor zwei Stunden informiert, und ich habe sofort alles Nötige veranlaßt. Ich habe den Tatort erstklassig gesichert."

"Fundort."

"Ja, sicher. Fundort. Das hier ist bestimmt nicht der Tatort."

"Wohl kaum."

"Wie wurde das entdeckt?" schaltete sich Domogalla ein.

"So ein Wünschelrutengänger. Oder Schatzsucher. Sein Gerät hat hier ausgeschlagen, und er hat angefangen zu graben ..."

"Ich will ihn sprechen."

"Ich, äh, habe ihn nach Hause geschickt. Der kann uns sowieso nichts weiter sagen."

"Sie sind und bleiben ein Idiot", zischte Alexa.

Igel sah verdutzt drein. Er hatte - wie immer - alles richtig gemacht und mußte sich dann von dieser unfähigen Schlampe beschimpfen lassen. Eine Schlampe, die den Job hatte, der ihm seit langem zustand. Davon war er in seiner stupiden Ignoranz so fest überzeugt, daß es manchmal schmerzte und er sich wütend in den Schlaf weinte. Prinzipiell gefielen ihm Hierarchien. Er schätzte eine Welt, die aus Vorgesetzten und Untergebenen bestand, so lange er Untergebene hatte. Für seinen Geschmack hatte er leider zu viele Vorgesetzte.

"Aber seine Adresse hast du doch, du Hirnakrobat."

Jetzt auch noch dieses Arschloch Domogalla! "Haben sie bestimmt auf der Wache notiert. Das müssen die ja, oder?"

Alexa wandte sich ab und sah in die Grube. Sie meinte vereinzelt kleine Köpfe in unterschiedlichem Verwesungszustand erkennen zu können.

Die Bullen durchkämmten die freigelegte Grube mit der Behutsamkeit von Nashörnern. Eine Fläche von zehn Quadratmetern war bereits tiefer abgetragen worden. Zwei Männer in weißen Overalls steckten auf dem Feld in regelmäßigen Abständen Sonden in den Boden. Trafen sie auf keinen Widerstand in den tieferen Schichten, konnte das eine Luftblase sein und auf ein weiteres Grab hindeuten. Oder auf einen Mäuse- oder Maulwurfsgang. Sie rochen an den Sonden. Wenn es sich um Gräber handelte, blieb der Verwesungsgeruch haften. Trafen die Sonden auf etwas Weiches, konnte man mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Leiche ausgehen. Die Männer arbeiteten systematisch und stießen die Sonden äußerst vorsichtig in den Boden, um keine postmortalen Verletzungen zu erzeugen. Am Rand der freigelegten Fläche wurde eine elektronische Vermessungsstation aufgebaut. Die bereits entdeckten Leichenfunde wurden mit Nummernschildern gekennzeichnet.

Kolleck stapfte auf sie zu. "Sowas habe ich noch nicht gesehen."

"Ja, sieht schlimm aus, Kolleck. Ist es das, wofür ich es halte?"

"Ein Massengrab ... und ... o Gott!"

"Reden Sie."

"Kinder. Nur Kinder bisher. Es sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur Kinder."

"Was?" Selbst Domogalla kam aus dem Gleichgewicht. "Kinder? Sie wurden hier begraben?"

"Nein. Sie wurden vergraben."


So - reicht Ihnen das? Martin Compart und uns noch lange nicht, wie Sie bald sehen werden. Für die nächste Folge schalten wir jedoch zurück zu Privatermittler Gill, der das "Hasenhaus" und seinen alten Freund Karibik-Klaus besucht, mit dem (wie wir erfahren haben) auch Kommissar Domogalla so seine Erfahrungen hat. Puffs haben eben immer Saison.

Martin Compart

Martin Compart


Martin Compart ist unter Genreliebhabern spätestens seit Herausgabe der legendären DuMont-Noir-Reihe bekannt und beliebt. Der 1954 in Witten/Ruhr geborene Alleskönner engagierte sich bereits während seines Studiums der Politikwissenschaften für die vielgelesene Gattung und gründete die "Arbeitsgemeinschaft Kriminalliteratur". Neben zahlreichen journalistischen Tätigkeiten betreute er unter anderem das Krimiprogramm für Ullstein und Bastei-Lübbe, wobei man stets sein Faible für die "schwarzen Schafe" erkennen konnte. Lesen Sie dazu seine ausführliche Biographie.

 

Der Sodom-Kontrakt


Als Krimileser wird man oft an ferne Schauplätze entführt - seien es die düster verregneten Straßen New Yorks, das verruchte New Orleans oder vielleicht die Randbezirke von Paris. Martin Compart hingegen siedelte seinen Romanerstling "Der Sodom-Kontrakt" (der übrigens den Untertitel "ein politisch inkorrekter Anti-EU-Thriller" trägt) in seiner Heimatstadt Witten an und lädt den Leser mit viel Pulp-Herzlosigkeit ein, seinen Protagonisten Gill von dort aus durch den europäischen Großstadtsumpf zu begleiten. Verfolgt von zwei psychopathisch veranlagten Killern und der Polizei, versucht der ehemalige Söldner den Mord an einem seiner besten Freunde aufzuklären und stößt dabei auf ein politisches Pulverfaß. In der EU-Hochburg Brüssel treffen sich nämlich Päderasten und Geldvernichter auf ein Tänzchen mit der Unschuld. Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Besprechung.

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