Platten_The PunkVoter: Anti-Flag im Interview

"Free Speech" gilt nicht für alle

Die US-Präsidentenwahlen stehen vor der Tür. Der ECORDER sprach mit Justin Sane von Anti-Flag über das absurde amerikanische Leben und "Rock Against Bush".    09.09.2004

Alles andere als zufällig gewählt ist der Name der amerikanischen Punkband Anti-Flag. Die Texte ihrer Songs spiegeln ihr hohes Interesse an der Gesellschaft und deren zahllosen Krankheiten wieder. Justin Sane stellte sich gern unseren Fragen - schließlich hat der hagere junge Mann zahlreiche Botschaften auf Lager, die ihn dazu bringen, auch schreibtechnisch immer wieder Stellung zu beziehen. Zuletzt übernahm er die ehrenvolle Aufgabe, einen wunderbaren Artikel für das Booklet der "Rock Against Bush Vol. 2"-Compilation zu schreiben.

 

ECORDER: Anti-Flag sind eine Band mit hohem Bewußtsein für Politik und Soziales. Wo liegt der Unterschied zwischen euch und ähnlich denkenden Bands?

 

Justin: Für andere Bands kann ich nicht sprechen, nur für meine eigene. Mit Anti-Flag drücken wir Dinge aus, um die wir uns wirklich kümmern. Ich wuchs in einer Familie auf, die politisch sehr aktiv war, Demonstrationen organisierte und versuchte, Dinge auf positive Art zu verändern. Für mich hat es also nur Sinn, in einer Band zu sein, die genauso etwas macht.

 

ECORDER: Und wieso ausgerechnet Punk?

 

Justin: Aus genau demselben Grund. Ich bin sehr an Dingen wie Politik oder sozialen Messages interessiert, darum landete ich auch in der Art Musik, in die soziale Auseinandersetzungen von vornherein integriert sind. Punk befindet sich abseits des Mainstream, und da ist man mehr open-minded, als wenn man stets das gleiche Zeug hört.

 

ECORDER: Ihr seid auf einer Compilation namens "Rock Against Bush" vertreten - und das mit diversen anderen Bands wie Ministry, von denen man bisher keine politischen Statements hörte.

 

Justin: Es gibt viele Bands da draußen, die in ihrer Musik nicht politisch sind, aber deren persönliche Einstellung sehr wohl dazu führt, daß sie jetzt etwas machen.

 

ECORDER: Wenn alles funktionieren sollte - also die Compilation, die Tour und die Nicht-Wiederwahl von Bush: Worum wird es in eurem neuen Album gehen?

 

Justin: Es gibt andere wichtige Probleme als nur George Bush. Vor dem Irak-Krieg hätte unser letztes Album "The Terror State" vom freien Welthandel oder Riesenfirmen und Globalisierung handeln sollen. Als aber der Krieg ausbrach, konzentrierten wir uns natürlich darauf. Es gibt eine Menge anderer Themen, die die nächste Platte behandeln wird, aber es wird sicherlich eine Hauptstreitfrage geben.

 

ECORDER: Manche stoßen sich an euren Texten, andere an den Covers. "The Terror State" wurde ja in einigen Ketten nicht einmal zum Verkauf angeboten.

 

Justin: Manche Geschäfte nahmen es nicht. Wal-Mart etwa ist eine total konservative Kette. Aber das hat uns nicht gewundert. Dafür gab es andere Läden, die das Album trotzdem verkauften.

 

ECORDER: Denkst du nicht, daß es eine Einschränkung der in Amerika so hochheiligen Redefreiheit ist, wenn man eure Platten aus den Läden verbannt?

 

Justin: Das ist leider deswegen so, weil die Supermärkte und Ladenketten in privater Hand sind. "Free Speech" gilt nur für die Öffentlichkeit. Die Geschäfte nehmen nur Rücksicht auf ihre Interessen, die natürlich auch von Wert sind, aber nicht auf das Gesetz.

Dem Ideal der Redefreiheit nach und der Philosophie, die dahinter steht, wäre es natürlich wichtig, daß sie unsere Platte nehmen! Doch in Wirklichkeit ist es so, daß die Unternehmen zensurieren und bestimmen, was man den Leuten zu sehen erlaubt und verbietet. Die Unternehmen diktieren den Menschen: "Okay, ihr werdet nur das sehen, was für uns als Unternehmen nützlich ist. Was uns ängstlich macht, das wollen wir euch erst gar nicht zeigen."

 

ECORDER: Und die Zensur der Supermarkketten war ja nur auf das aussagekräftige Cover zurückzuführen.

 

Justin: Ja, da hält ein kleines Mädchen ein Gewehr in der Hand. Wir wollten damit zeigen, das Militarismus ein zentraler Bestandteil in unserem Leben ist, daß unsere Gesellschaft darauf basiert. In anderen Ländern werden kleine Kinder sehr wohl mit Waffen konfrontiert und dazu gezwungen, mit ihnen umzugehen, wie etwa in Teilen von Afrika. Das könnte auch einmal in Amerika passieren. Wir wollten ein Statement dazu machen, daß unsere Gesellschaft auf diesem Militarismus basiert und wir die kleinen Kinder zur Ansicht bringen, die Welt ließe sich nur durch Waffengebrauch lenken. Das kann keine gute Zukunft werden!

 

ECORDER: Werden die Messages von Anti-Flag in anderen Ländern genauso verstanden werden wie in englischsprachigen?

 

Justin: Da gibt es natürlich - und leider - einen Unterschied. Ich hoffe aber, daß jene Leute, die etwas nicht verstehen, jemanden haben, der ihnen unsere Ideen erklärt und ihnen zeigt, was wir sagen wollen. Es ist uns nämlich wichtig. Es ist schließlich so, daß all die Themen, über die wir sprechen, nicht nur an einem Ort geschehen. Sie passieren überall auf der Welt. Das sollte jedem bewußt werden. Und es geht nicht nur um Bush. Es geht genauso um Schröder, Blair und Berlusconi. Man kann es also nicht nur auf einen Staat reduzieren, worum es bei uns geht, egal bei welchem Thema. Darum haben wir uns Anti-Flag genannt. Weil wir an keine Flagge glauben, weder die amerikanische noch die österreichische noch sonst irgendeine andere! Flaggen trennen Menschen. Wir wollen, daß sich die Leute als menschliche Wesen sehen und sich nicht hinter Flaggen verstecken oder gar Flaggen sind.

 

ECORDER: Das wäre die ideale Gesellschaft für dich?

 

Justin: Yeah. Darum sehe ich mich auch nicht als Bürger der Vereinigten Staaten ... ich verstehe mich als einen Bürger unserer Welt ohne Grenzen. Das ist natürlich Ideologie. Die Wirklichkeit ist da leider anders.

Milan Knezevic

Anti-Flag - The Terror State

ØØØ 1/2


Fat Wreck/edel

(USA/ 20. 10. 2003)

 

Politisch, punkig, gut. Das ist das im Vorjahr erschienene Album "The Terror State" der Polit-Punkrocker Anti-Flag. Melodiös, mit Grölgesang im Hintergrund, setzen sich Anti-Flag mit allem auseinander, was ihnen mächtig auf den Arsch geht - allen voran der "One-Term-President" George W. Bush. Ihre Message manifestiert sich in Song-Titeln wie "Power to the Peaceful" oder "When You Don´t Control Your Government, People Want to Kill You". Eine Band also, die man schon für die Song-Namen küssen möchte.

Mit Tom "Rage Against The Machine" Morellos vertrauten sich Anti-Flag zudem einem gleichdenkenden Mann an, der sich auch verdammt gut in ihren Punkrock einfühlen kann. Das Ergebnis ist, daß "The Terror State" zu einer ihrer bisher besten Platten wurde.

 

Links:

mehr Beiträge über "Rock Against Bush"


 

Links:

Kommentare_

Platten
Such A Surge - Alpha

Im Trend gelegen

Die einstigen Crossover-Helden aus Braunschweig zeigen, daß sie auch musikalisch noch am Leben sind und retten sich damit vor der Bedeutungslosigkeit.  

Platten
Schneiderberg - Amok-Yo

Kreuzüber in den Sozialismus

Im Jahr 2000 wurden sie gefeiert. Dann lösten sie sich einfach auf. Oder machten eine Zwangspause. Und jetzt sind sie wieder da.  

Platten
Freedom Call - A Circle Of Life

Aufs Korn genommen

Powermetal mit Humor gibt es nicht? Dann sollten Sie in die vorliegende Platte reinhören. Die kann es noch dazu mit fast jedem Klassiker des Genres aufnehmen.  

Platten
Ektomorf - Instinct

Metal Gulasch

Der Mensch wird zum Tier. Denn Urgewalten rasen aus den Lautsprechern, wenn im Laufwerk die neueste Scheibe der Ungarn rotiert.  

Platten
Fettes Brot - Am Wasser gebaut

Geh bitte!

Kann das denn sein, find ich den Reim nicht? Was ist bloß los, ich bin doch famos, nicht? Denn ich mach HipHop und bin immer top. Oder?  

Platten
Stereophonics - Language, Sex, Violence, Other?

Brit-Pop versus Brit-Rock

Viele Bands erleben mit neuen Musikern ihren zweiten Frühling. Leider scheint in Wales immer noch tiefster Winter zu herrschen.