Games_Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth

Braindead

Mit drei Jahren Verspätung geht das von H. P. Lovecraft inspirierte Spiel endlich an den Start. Und wieder einmal zeigt sich: Was lange währt, wird nicht immer gut.    03.04.2006

Jack Walters hat ein Problem: Dem Privatdetektiv fehlen sechs Jahre seiner Vergangenheit - genau die sechs Jahre, die zwischen den zwei Einweisungen in die psychiatrische Anstalt von Arkham liegen, wo er wegen schwerer Persönlichkeitsstörungen behandelt wurde. Aus der fraglichen Zeit sind ihm nur furchterregende Alpträume und ein Tagebuch geblieben, aus dem boshafterweise die interessantesten Seiten entfernt wurden.

Sein neuer Auftrag führt Jack in das malerische Fischerdorf Innsmouth, wo er eine vermißte Person - den Besitzer eines Lebensmittelgeschäfts - finden soll. Doch schon bald bemerkt er, daß in Innsmouth einiges nicht so ist, wie es sein soll. Die Bewohner des Kaffs sind träge und antriebslos und wirken zeitweise schwer zurückgeblieben. Die wenigen unter ihnen, deren Intelligenzquotient über der Raumtemperatur liegt, weigern sich zudem beharrlich, mit ihm zu sprechen oder wollen überhaupt nicht mit ihm gesehen werden. Mit einer derartigen Mauer des Schweigens konfrontiert, beschließt der Detektiv, auf eigene Faust in Innsmouth herumzuschüffeln. Das stellt sich schon bald als unkluger Plan heraus - denn die zunächst so ruhigen, wenn auch immens blöden Dorfbewohner rotten sich zu einem wütenden Lynchmob zusammen, um den lästigen Schnüffler beiseite zu schaffen.

 

Das wäre alles halb so schlimm, hätte unser vergeßlicher Held nicht beschlossen, auf seinem Streifzug auf Feuerwaffen zu verzichten. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf seinem Weg durch das Dorf dem mistgabelschwingenden Landpöbel so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Und das ist nicht besonders schwer, da das gemeine Volk scheinbar nicht nur unter den Nachwirkungen einer Gehirnamputation zu leiden hat, sondern auch noch an einer kollektiven Sehschwäche: Sofern Jack es vermeiden kann, mit einem Kampfbauern zu kollidieren, bleibt er ziemlich unbehelligt.

Die fehlende Bewaffnung ist auch schon das einzig positive Feature, das "CoC" anzubieten hat. Ohne Kanone ist man zumindest ein paar Stunden gezwungen, halbwegs (die Betonung liegt auf halbwegs) aufmerksam zu bleiben. Sobald man die erste Feuerwaffe in Händen hält, ist es damit jedoch vorbei, und das Horrorspiel wird zur Ballerorgie. Das Grauen bleibt nur in Form der wohl dümmsten KI vorhanden, die jemals in einem Spiel dieser Art zu bestaunen war. Da kann es schon einmal vorkommen, daß ein sogenannter Gegner sich mit einem lautstarken "Da ist er!" in Bewegung setzt, nur um dann einen Meter neben dem Helden vorbeizulaufen und in eine dunkle Gasse einzubiegen. Oder aber der halbblinde Depp beschließt gleich, daß Jack unauffindbar ist, und schleicht weiter auf seiner vorprogrammierten Route durch das Dorf. Die Tatsache, daß unser Held ihn währenddessen mit seiner Maschinenpistole in den Hintern schießt, scheint ihn nicht weiter zu stören.

Besonders lustig sind die Nahkampfszenen, in denen die Landbevölkerung größte Probleme hat, einen stillstehenden Helden zu treffen. Wird man per Zufall doch verwundet, kann das Spiel mit einem zweiten netten Feature aufwarten: Das Schadenssystem ist so clever und authentisch, daß ein einzelner Treffer bereits schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Leider hat auch dieses System seine bizarren Eigenheiten. Es kann durchaus vorkommen, daß man sich eine offensichtliche Fußverletzung zuzieht (durch giftige Mutantenkäfer, die bevorzugt in die Ferse beißen), um danach an einer Kopfwunde zu laborieren.

Rätsel gibt es bei "Dark Corners of the Earth" auch zu lösen: Schalter finden, Türen öffnen, und das war´s auch schon. Nicht wirklich spannend - was übrigens für das gesamte Spiel gilt. Fans der Rollenspielwelt "Call of Cthulhu" werden daran vielleicht trotzdem ein oder zwei Stunden ihren Spaß haben und können bei dem recht geringen Preis auch durchaus zugreifen. Wer aber ein gelungenes Survival-Horror-Spiel sucht, für den gibt es Dutzende weitaus lohnendere Alternativen.

Benjamin Mann

Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth

ØØ 1/2


(Bethesda Softworks/Ubisoft)

erhältlich für: PC, Xbox

 

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Kommentare_

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