Kino_Bad Boys II

Konzeptkunst für Nihilisten

Wenn der Schrecken schier kein Ende nehmen mag: Brachiale Buberlpartien dies- und jenseits der Kamera fabrizieren den teuersten Schlechtfilm des Jahres.    09.10.2003

In zweieinhalb Stunden kann man einiges mit sich und seiner Umwelt anstellen: eine Zugreise Wien-Salzburg antreten, ein dünnes Buch lesen oder sich nonstop fünfzig Drei-Minuten-Eier kochen. Sie sehen, da geht einiges. Zweieinhalb Stunden können dessenungeachtet auch unendlich langsam und qualvoll verstreichen: beim Warten in der Zahnarztpraxis oder im abgedunkelten Kinosaal, vor allem anläßlich einer Vorführung von "Bad Boys II".

Eine unausgesprochene Wahrheit und Grundvoraussetzung des Buddy-Movies als spezieller Abart des Action-Kinos ist die, daß es auch auf Kosten von Parametern wie Glaubwürdigkeit und Handlungsintelligenz per se kurzweilig und fesselnd sein sollte. Wenn die Dialoge knackig und die Action-Sequenzen eindrucksvoll sind, können die Darsteller meist gar nicht klobig genug agieren, als daß man den Kinosaal zwar mit schalem Nachgeschmack, aber doch einigermaßen angemessen unterhalten wieder verließe.

Gemäß der Milchmädchenrechnung "Länger + lauter = noch leiwander" hat sich das damische Duo Bay & Bruckheimer nun an die Fortsetzung einer Produktion gewagt, die schon im ersten Versuch nicht unbedingt gelungen war: "Bad Boys". Nur ist diesmal die Story leider komplett verschütt und auch sonst viel zu viel schief gegangen.

Kein Klischee ist blöd, keine Albernheit geschmacklos genug: Chauvi-Cop Schmidt Willi darf in toten Wänsten herumwühlen und Klemmi-Cop Lawrence vorführen, wie sich reaktionäre Befehlsempfänger Ecstasy-Trips vorstellen. Und das ist leider nicht alles: Fidel Castro ist in einen Drogenschmuggelring verwickelt, also darf dem Kurzweilfaktor zuliebe auch mit Hummer-Boliden durch bewohnte Slums (und zwar mitten durch die Häuser!) gebrettert werden. Zynismus ist dafür kein Ausdruck mehr.

Nur: Wie kurzweilig ist denn ein Machwerk, bei dem man alle halben Stunden auf das Leucht-Display seines Handtelefons starren und mit Entsetzen erkennen muß, daß gerade einmal wieder erst zehn Minuten vergangen sind? Und dann geht es immer noch weiter, immer ärger, immer toller, wie in einer hochgradig grausamen Endlosschleife: noch mehr halbseidene Gags, noch mehr Griffe ins Effekteregal, es will doch wirklich kein Gimmick der jüngeren Filmgeschichte verschont bleiben, und hey, irgendwie mußte das Budget ja auch verpulvert werden. Vermutlich ist "BB II" wirklich das kostspieligste B-Movie (minus Humor, Esprit und Sympathiebonus) aller Zeiten. Dabei fällt es schwer zu glauben, daß da nicht irgendein höheres Kalkül dahinter steckt. Eine fortgeschrittene metaphysische Abhandlung etwa? Der lärmende und ungenierte Sieg des Nichts über das Sein? Konzeptkunst für Nihilisten?

Schlecht ist dafür gar kein Ausdruck - für Kino der Sorte "BB II" gibt es überhaupt keine zutreffenden Kategorien mehr. Am Ende bleibt nicht einmal mehr ein schaler Nachgeschmack, nur die Erinnerung an den psychisch quälendsten Kinobesuch seit "Irreversible" (aus ganz anderen Gründen natürlich). Und dabei sollte man doch nur unterhalten werden.

Christoph Prenner

Bad Boys II

Ø 1/2


USA 2003

147 Min.

dt. Fassung und engl. OF

Regie: Michael Bay

Darsteller: Martin Lawrence, Will Smith, Jordi Molla u. a.

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