Kino_Elephant

Ist etwa Beethoven schuld?

Fragen ohne Antworten liefert Gus Van Sants heuer in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneter Spielfilm "Elephant".    31.10.2003

1999, Columbine High School, Colorado: Zwei Schüler laufen Amok und erschießen mehrere Mitschüler, Lehrer und schließlich sich selbst. Dieses High-School-Drama war in Amerika kein Einzelfall und wurde nach Michael Moores Dokumentation "Bowling for Columbine" nun wieder in einem Film verarbeitet.

In seiner Spielfilmversion bleibt Regisseur Van Sant nahe an der wahren Begebenheit und engagierte – wohl auch der Authentizität wegen - schauspielerisch unerfahrene Schüler, die ihre Dialoge improvisieren durften. Doch Dialoge gibt es in "Elephant" eh nicht viele - stattdessen bekommt man lange Einstellungen zu sehen, die immer wieder dieselben eher ereignislosen Ereignisse zeigen, z. B. Schüler, die Wege auf dem Campus und in ihrer Schule zurücklegen und dabei anderen Schülern begegnen. Und oft sieht man die Darsteller dabei nur von hinten.

Das glückliche Pärchen etwa, das einsame Mädchen, das von allen gehänselt wird, den coolen Hobby-Photographen oder die drei hübschen Mädchen, die sich nach dem Mittagessen auf dem Schulklo gemeinsam übergeben. Der bisher doch authentisch wirkende Erzählvorgang wird durch diese überspitzt dargestellte Situation das erste Mal gestört. Und auch die Darstellung der zukünftigen Attentäter erscheint im Vergleich zum gesamten Film unreal, viel zu klischeehaft: brutale Videospiele, Waffen frei Haus geliefert, Nazifilme im Fernsehen und Beethovens "Für Elise" am Klavier. Spätestens als die beiden Killer dann auch noch gemeinsam in die Dusche steigen und einander küssen, fragt man sich, was das alles soll. Was will uns Gus Van Sant damit sagen? Viele Fragen kommen auf, aber keinerlei Antworten, und schon gar keine Erklärung dafür, warum die beiden Burschen das Massaker begehen.

Statt wirkliche Einblicke in die Charaktere der Teenager zu geben, liefert Van Sant endlos lange Shots auf die Rücken der Schüler und zeigt immer wieder dasselbe, indem er aus verschiedenen Perspektiven filmt. Vielleicht wollte er durch diese Langsamkeit, die die Wiederholungen erzeugen, so etwas wie Spannung aufbauen? Gelungen ist es ihm nicht. Wie schon bei seinem letzten Spielfilm "Gerry" kippt die Langsamkeit allmählich in Langeweile um, und sowohl die vielen schönen Einstellungen als auch die hervorragend ausgewählte Musik können die Leere, die am Ende des Films übrig bleibt, nicht mehr beseitigen.

Marianne Lang

Elephant

ØØ


USA 2003

81 Min.

dt. Fassung und engl. OF

Regie: Gus Van Sant

Darsteller: Alex Frost, Eric Deulen, John Robinson u. a.

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