Kino_Four Lions

Allahs größte Deppen

Der britische Satiriker Christopher Morris greift in seinem Filmdebüt das heiße Eisen "islamischer Dschihad" nicht nur an, nein, er jongliert damit in bewundernswerter Weise, tritt dabei bewußt auf das eine oder andere religiös determinierte Hühnerauge und läßt seine Seherschaft mit der Erkenntnis zurück: Es wär’ zum Lachen, wenn’s nicht zum Weinen wär.    17.10.2011

Sie sind liebenswerte Charaktere.

Waj, in dessen großen Händen eine AK-47 wie ein Kinderspielzeug aussieht; Barry, ein zum Islam konvertierter Brite, der es als seine ureigenste Aufgabe sieht, authentische Bekennervideos zu inszenieren; Omar, der seinem kleinen Sohn den "König der Löwen" als Gutenachtgeschichte erzählt und die Handlung als heiligen Krieg gegen Ungläubige umdeutet; und Faisal, der Bombenbauer, der eigens eine Krähenzucht angelegt hat, um seine Sprengstoffexperimente am lebenden Objekt testen zu können.

Schließlich soll ja aus der Gesellschaft, in der sie leben, Bohnenmus werden, weil sie verrottet und verlogen und ohnehin dem Untergang geweiht ist.

 

Völlig ausgeschlossen, daß das nicht der Wille Gottes ist, und sie nicht Teil eines heiligen Plans sind, die Welt besser zu machen.

Aber Vorsicht, der Teufel lauert überall, auch in den Satelliten, die versuchen, sie ausfindig zu machen. Daher ist es unumgänglich, die Sim-Karten der eigenen Mobiltelefone zu entfernen - und zu verschlucken. (Und weil der kapitalistische Satan ebenso im Detail lauert, gilt es danach zu klären, ob die sich im Magen befindlichen Chips immer noch eine Ortung ermöglichen.)

Das Credo der Kämpfer lautet: Unauffälligkeit durch Auffälligkeit! In Szene gesetzt etwa durch eine Twin-Towers-Torte, die am 11. 9. vor der Synagoge in Sheffield - ihrer Heimatstadt - plaziert wird.

 

Diese und ähnliche schwarzkomödiantischen Überhöhungen verwendet Christopher Morris, um gleichermaßen die Entschlossenheit wie die Hilflosigkeit zu schildern, mit der seine Protagonisten ihren heiligen Krieg und ihre Berufung zu einem segensreichen Ende führen möchten.

Er tritt dabei in einen bizarren Dialog mit den Möchtegern-Attentätern, jagt sie von einer Enttäuschung in die nächste Katastrophe, als wollte er sie mit aller Macht, die die Komik (besonders die unfreiwillige) zu bieten hat, von ihrem Ziel abbringen. So schluckt Barry seinen Autoschlüssel, weil er nicht mit in das pakistanische Ausbildungslager darf, das wiederum von Omar und Faj unbeabsichtigt in die Luft gejagt wird.

 

Zurück in Sheffield verlieren sie den gutmütigen Faisal, der Opfer seiner Selbstbausprengsätze wird, was nicht nur ihm, sondern auch einem Schaf die Fahrkarte in ein ungewisses Jenseits beschert.

Damit tritt diese überbordende Komödie in ihre schwärzeste Phase. Sie wird die verbliebenen drei Löwen - mittlerweile in absurden Kostümen agierend - zusammen mit jeder Menge Unbeteiligter das Leben kosten. Fazit: Nicht nur das Zwerchfell ist ... erschüttert!

 

Christopher Morris ist mit diesem Film ein leidenschaftliches Plädoyer gegen jede Art von religiösem Wahn gelungen.

Eine Anklage, der gehört wurde - das zeigen der Publikumspreis beim Sundance Film Festival 2010 und der Preis für den besten britischen Nachwuchsfilm 2011. Die prompten Bemühungen verschiedener politischen Gruppierungen, die Aufführung zu verhindern, beweisen einmal mehr, wie wichtig es ist, die "Achse des Blöden" besonders mit den Mitteln der Komik zu unterlaufen.

Selbst auf die Gefahr hin, daß der eine oder andere Lacher im Hals steckenbleibt.

 

 

         

 

Claudia Jusits

Four Lions

ØØØØØ

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GB 2010

102 Min.

 

Regie: Christopher Morris

Darsteller: Riz Ahmed, Arsher Ali, Nigel Lindsay u.a.

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