Kino_Kino-News KW 10/2004

Sex, Scherze & Video

Die Zelluloidneuigkeiten der Woche: eine "Girl meets boy"-Komödie mit Ben Stiller sowie allerlei Arthausiges aus Österreich, Frankreich, Afghanistan und Ungarn.    04.03.2004

 

Christoph Prenner

... und dann kam Polly

(Along Came Polly)


USA 2004

90 Min.

Regie: John Hamburg

Darsteller: Ben Stiller, Jennifer Aniston, Philip Seymour Hoffman u. a.

 

Mit der Zunge schnalzen dürften Ben-Stiller-Fans angesichts des Kinoprogramms des kommenden Monats. Denn in nicht weniger als drei Filmen kann der kauzige kleine Scherzbold und Teilzeitregisseur demnächst beim Blödeln beobachtet werden. Neben der heiß erwarteten "Starsky & Hutch"-Kinoverfilmung mit Zoolander-Buddy Owen Wilson und "Der Appartement-Schreck" unter der Regie von Danny DeVito steht mit "... und dann kam Polly" als erstes ein Exemplar des unzerstörbarsten Filmgenres ever auf dem Programm: der romantischen Komödie.

Eingewoben in die bewährte wie vorhersehbare Mixtur aus flegelhaft-ungustiösem Fäkalhumor und à la longue eingestreuten amourösen Wirrungen spielt Stiller als neurotischer Kontroll-Freak im großen und ganzen die gleiche Rolle wie schon in "Verrückt nach Mary"; allerdings mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, daß diesmal die im direkten Vergleich mit Cameron Diaz weit weniger witziger abschneidende Jennifer Aniston an seiner Seite blödelt. Resümee: trotz manch netter Ansätze und illustrer Nebenrollenbestzung (P. S. Hoffman, Alec Baldwin) erschreckend altbacken und gewöhnlich.

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Die Träumer

(The Dreamers)


GB/I/F 2003

114 Min.

Regie: Bernardo Bertolucci

Darsteller: Michael Pitt, Eva Green, Louis Garrel u. a.

 

Saubarteleien, Teil eins: die bildungsbürgerliche Variante. Drei Studenten - ein französisches Geschwisterpaar und ein amerikanischer Freund - treffen sich in den Frühjahrstagen des Jahres 1968 und ziehen sich in einer Pariser Wohnung zurück, um sich der Cinephilie und der freien Liebe zu widmen.

Richtig, Regiemeister Bertolucci hat seinen letzten Tango in Paris noch einmal getanzt und zoomt sich - ganz Träumer - mit verklärendem Blick 35 Jahre zurück in das eigene Jungsein. In die Zeiten der Nouvelle Vague, deren Werke hier bis zum Erbrechen bemüht / nachgespielt werden, in Zeiten, als gezielter Tabubruch (Inzest!) und Rebellion noch auf dem Tagesprogramm standen. Von der damaligen (sexuellen) Aufbruchsstimmung ist jedoch bloß die Schablone einer in alltagsphilosophische und cineastische Streitgespräche gehüllten Altmännergeilheit übriggeblieben. Wer auf mit Godard-Zitaten verzierten Softporno steht, darf aber gern investieren.

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Nacktschnecken


Ö 2003

91 Min.

Regie: Michael Glawogger

Darsteller: Raimund Wallisch, Michael Ostrowski, Pia Hierzegger u. a.

 

Saubarteleien, Teil zwei: die komödiantische Variante. Daß es für das österreichische Lustspiel auch noch ein Leben fernab der Hölle der Kabarettistenfilme gibt, versucht "Megacities"-Regisseur Glawogger mit "Nacktschnecken" zu belegen. Erfreulicherweise gelingt ihm in dieser Geschichte rund um einen Amateurpornodreh der Spagat zwischen Überdrehtheit und Selbstironie über weite Strecken mit erstaunlicher und kaum geglaubter Bravour. Nicht uncharmant.

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Osama


Afghanistan 2003

82 Min.

Regie: Siddiq Barmak

Darsteller: Marina Golbahari, Arif Herati, Zubaida Sahar u. a.

 

Geschichte wird gemacht: Dies ist er also, der erste Film, der seit dem Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan produziert wurde. Und prompt (selbstverständlich ohne jegliches politisches Kalkül) mit dem Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film belohnt wurde. Regisseur Barmak erzählt von einem 12jährigen Mädchen, das sich, um die Familie ernähren zu können, als Junge ausgeben muß. Speziell aus jenen Konstellationen, die die nackte Panik vorm Erwischtwerden beänstigend einzufangen wissen, schöpft der Film, dem man eine gewisse westliche Kalkuliertheit leider nicht absprechen kann, seine besonders eindringlichen Momente.

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Deep Blue


GB 2003

83 Min.

Regie: Alastair Fothergill, Andy Byatt

 

Nomaden der Meere. Visuell überragende, eineinhalbstündige Kurzfassung der achtteiligen BBC-Dokureihe über das Leben in den Ozeanen. Buntes, berauschendes, wildes Unterwassertreiben, über fünf Jahre vom britischen Filmteam in unzähligen Tauchgängen (u. a. mit Spezial-Mini-U-Booten) rund um den Globus beobachtet und festgehalten.

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Zwei kleine Helden

(Bäst i Sverige!)


Schweden 2000

87 Min.

Regie: Ulf Malmros

Darsteller: Ariel Petsonk, Zamand Hägg, Michael Nyqvist u. a.

 

Bend it like Henrik Larsson. Mutloser Zehnjähriger Nachwuchskicker findet durch neue libanesische Mitschülerin zu mehr Selbstvertrauen. Kinderspaß.

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Schöne Tage

(Szép napok)


Ungarn 2002

Regie: Kornél Mundruczó

Darsteller: Orsolya Tóth, Tamás Polgár u. a.

 

Ungarische Hundstage. Der Filmtitel ist natürlich mit Vorsicht und Sinn für Ironie zu genießen. Denn schön ist an dieser Dreiecksgeschichte rund um ein Mädchen, das ihr neugeborenes Kind verkauft, um dann mit der "Käuferin" und deren Bruder durch den Sommer zu ziehen, so rein gar nichts. Eher deprimierend. Aber nicht im "positiven", vielmehr im elendsöden Sinn.

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