Kino_Kino-News KW 46/2004

Verlustgeschäfte

Julianne Moore verliert ihre Familie, Denzel Washington langsam seinen Verstand und der österreichische Film wieder einmal - in blindem Kopistentum - sich selbst.    12.11.2004

 

Christoph Prenner

Der Manchurian Kandidat

(The Manchurian Candidate)


USA 2004

130 Min.

Regie: Jonathan Demme

Darsteller: Denzel Washington, Meryl Streep, Liev Schreiber u. a.

 

Mit Remakes von Filmklassikern ist das so eine Sache. Häufig genug entstehen sie aus der fatalen Kombination von Ideenmangel und dem Zwang, trotzdem halbwegs sichere Kassenergebnisse einzufahren; daher kann man auch geschätzte 80 Prozent der in den letzten Jahren abgedrehten Neuverfilmungen getrost als Zeitverschwendung abtun. Den vorläufig letzten Tiefpunkt dieser Entwicklung, die inferiore "Stepford Wives"-Spaßversion, hat man mit etwas Glück schon wieder vergessen.

Wenn es nun allerdings ein echter Könner wie Jonathan Demme ("Das Schweigen der Lämmer") ist, der sich - übrigens bereits zum zweiten Mal - einer Neuverfilmung annimmt, darf man schon hoffen. Und wird im Falle seiner Version des Politik-Paranoia-Klassikers "The Manchurian Candidate", abgesehen vom Schlußakt, nicht enttäuscht. Demme unterzieht die grimmige Story um Meinungsmanipulation einem Update, indem er als das im Hintergrund waltende Böse statt der Kommunisten einen weltweit agierenden Megakonzern auftreten läßt, der durch Gehirnwäschemethoden an ranghohen Persönlichkeiten des Staates in eben jenem die Macht an sich bringen will. Das läßt sich dann nicht nur als ein um SF-Elemente angereicherter Remix von Frankenheimers Standardwerk sehen, sondern mehr denn je auch als zermürbende politische Allegorie, die ob ihres Realitätsbezugs nicht nur Verschwörungstheoretikern den kalten Angstchweiß auf die Stirn zaubert. Wenn Demmes Ende nicht gar so eine Kapitulation vor der eigenen Courage wäre, hätte man es bei "Der Manchurain Kandidat" zweifelsohne - auch wegen der großartigen Darstellerriege - mit einem der besten Thriller dieses Jahres zu tun.

 

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Die Vergessenen

(The Forgotten)


USA 2004

91 Min.

Regie: Joseph Ruben

Darsteller: Julianne Moore, Gary Sinise, Dominic West u. a.

 

Keine Nachricht von Sam. Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Filmbesprechung.

 

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C(r)ook


Ö/D 2004

100 Min.

Regie: Pepe Danquart

Darsteller: Henry Hübchen, Moritz Bleibtreu, Corinna Harfouch u. a.

 

Na, darauf haben wir doch alle gewartet: Der deutsche Filmemacher Danquart (der im übrigen auch schon einmal Mira Sorvino in einem Film verheizen durfte) macht auf einen auf Tarantino (als ob der nicht schon schlimm genug wäre) und verlegt das Milieu seiner total "schrägen" Kleingangster-Handlung kurzerhand auch noch nach Wien. Wo dann u. a. der große heimische Charakterdarsteller Düringer einen Killer mit losem Mundwerk spielen darf. Genau: So unlustig ist das. Krampfhaft auf cool getrimmtes, postmodern ironisches Gewurstel, das man noch nicht einmal dem uneinsichtigsten "Snatch"-Anhänger empfehlen möchte. The Nineties, they´re so passé ...

 

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Männer wie wir


D 2004

106 Min.

Regie: Sherry Hormann

Darsteller: Maximilian Brückner, Dietmar Bär, Lisa-Maria Potthoff u. a.

 

Als sich der Fußballtorhüter Ecki (Brückner) als Schwuler outet, wird er in hohem Bogen aus seiner Mannschaft geworfen. Worauf er sich mit anderen homosexuellen Fußballern zusammentut und mit der neugegründeten Mannschaft "Lattenknaller" (ha!) auf Revanche sinnt.

Vielleicht wurde dem Film "Sommersturm" von Seiten des Autors dieser Zeilen neulich doch etwas Unrecht getan. Denn im Vergleich zu dieser schenkelklopfigen Kalauer-Variante eines deutschen Coming-out-Films machte sich jener nachgerade als dezente Fallstudie aus. Hier darf oder sollte denn über die eine oder andere "Manndeckung" gelacht werden. Allerdings war Subtilität ohnehin noch nie das Metier der Geschlechter-Comedy-Spezialistin Sherry Hormann ("Irren ist männlich"). Klassisches Eigentor.

 

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Kommentare_

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