Kino_Kino-News KW 7/2004

Kirchenfürsten und andere Dirty Old Men

Diese Woche erfahren Kinobesucher von den Sorgen alternder Lüstlinge, türkischer Beamter, koreanischer Ökos, asiatischer Kung-fu-Blödler und trauriger Hollywood-Produzenten.    12.02.2004

 

Christoph Prenner

The Missing


USA 2003

137 Min.

Regie: Ron Howard

Darsteller: Tommy Lee Jones, Cate Blanchett, Evan Rachel Wood u. a.

 

Der Post-Western (aber nicht der mit dem Postamt) - hatten wir ja neulich bei "Open Range" schon, das Thema. Wo Costners Ansatz noch eher an "High Noon" angelehnt war, scheint Ron Howards ("A Beautiful Mind") Hauptinspirationsquelle wohl John Fords Klassiker "The Searchers" gewesen zu sein. Und wie bei "Open Range" gilt auch hier: Der desillusionierte Blick zurück im Zorn sorgt für eine relativ grimmige Grundstimmung, die über die in diesem Fall wirre erzählerische Komponente (diverse eingewobene Mystery-Elemente tragen nicht unbedingt zur Erhellung bei) öfters hinwegsehen läßt. Wenn - ja, wenn - nicht dieses ganze Genre der Pferdeopern so durch wäre mittlerweile (man muß es eben immer wieder anmerken).

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Cold Creek Manor - Das Haus am Fluß

(Cold Creek Manor)


USA 2003

118 Min.

Regie: Mike Figgis

Mit: Sharon Stone, Dennis Quaid, Stephen Dorff u. a.

 

Noch ein Haus, noch ein Verbrechen... Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Besprechung.

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Shanghai Knights


USA/GB 2003

114 Min.

Regie: David Dobkin

Darsteller: Jackie Chan, Owen Wilson, Donnie Yen u. a.

 

Bis dato hat Martial-Arts-Ikone Jackie Chan (laut "Internet Movie Database") in 92 Filmen vor der Kamera mitgewirkt. Daß Quantität bei Mr. Gummiknochen himself aber schon längerem nicht mehr zwangsläufig Qualität bedeutet, beweist u. a. dieses Sequel seines Eastern-Westerns "Shanghai Noon". Nach dem Wilden Westen ist diesmal das viktorianische London Einsatzgebiet der beiden bewährten Blödel-Buddies Chan und Owen Wilson, deren Mission, die Rettung der kaiserlichen chinesischen Familie, aber auch bloß einen groben Rahmen für so manche (leider oft allzu formelhaft eingesetzte) Kung-fu- und Slapstick-Einlagen absteckt. Freilich, so traurig es auch klingen mag: "Shanghai Knights" ist nach den unterirdischen Filmen "The Tuxedo" und "Rush Hour 2" dennoch ein Schritt (zurück) in die richtige Richtung.

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Was das Herz begehrt

(Something´s Gotta Give)


USA 2003

Regie: Nancy Meyers

Darsteller: Jack Nicholson, Diane Keaton, Keanu Reeves u. a.

 

Was Frauen wollen, wollte uns Nancy Meyers vor Jahren in einem gekünstelten Mel- Gibson-Vehikel näherbringen. Jetzt versucht sie es mit einem Jack-Nicholson-Vehikel erneut - mit der ähnlichen Thematik "Was Alte wollen" (flapsig formuliert). Ergibt aber wie gehabt eine höchst klischeeverseuchte Komödie auf maximal Sitcom-Witz-Niveau mit einem auf Autopilot agierenden Jack als alterndem, jungen Mädels nachstelzendem Gigolo, der entdecken muß, daß Frauen seiner Altersstufe (in diesem Fall Diane Keaton, Golden-Globe-prämiert) auch so ihre Vorzüge haben. Aha. Zur selben Materie hat man schon weit Stichhaltigeres gesehen, erst vor kurzem etwa Roger Michells "Die Mutter".

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Luther


D 2003

121 Min.

Regie: Eric Till

Darsteller: Joseph Fiennes, Alfred Molina, Peter Ustinov u. a.

 

Es war in den letzten Jahren wohl zuviel des Übernatürlichen und Paranormalen in den Lichtspielhäusern der westlichen Hemisphäre. Anders dürfte der gerade herandräuende Backlash konfessionskompatibler Konfektionskost nicht zu erklären sein (wobei mit "Sin Eater" und "The Gathering" zuletzt schon die ersten Anzeichen kirchenfürstgerechten Entertainments vernehmbar waren). Bevor uns nun zu Ostern Mel Gibsons ultimative Passionsspiele anstehen, wartet TV-Regisseur Till in Form einer kreuzbraven Ikonographie des Oberreformermönchs Martin Luther (besetzt mit dem neuerlich unfähigen jüngeren Fiennes-Bruder) die ultimative evangelische Geschichtsstunde auf, kofinanziert von - no na - den Protestantischen Kirchen. Die Rückkehr des Kampagnenfilms in Gestalt eines leidlich mitreißenden Biopics, das unter normalen (sprich säkular motivierten) Maßstäben gerade als B-Klasse-TV-Movie durchgegangen wäre. Kino für den ökumenischen Kirchennachmittag.

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Vizontele Tuuba


Türkei 2003

100 Min.

Regie: Yilmaz Erdogan

Darsteller: Yilmaz Erdogan, Demet Akbeg, Altan Erkekli u. a.

 

Man spricht türkisch, Teil 1. Fortsetzung von "Vizontele", einem der erfolgreichsten türkischen Filme aller Zeiten. Regisseur Yilmaz Erdogan bedient sich auch im zweiten Teil wieder eines Reservoirs kauziger Charaktere und skurriler Situationen, um die Geschichte eines in den fernen Südostens der Türkei versetzten Staatsdieners über 100 recht kurzweilige Minuten zu bringen.

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Nachtreise


Ö 2002

65 Min.

Regie: Kenan Kilic

Darsteller: Mehmet Tanik, Hakki Kilic u. a.

 

Man spricht türkisch, Teil 2. Halbdokumentarisches Kammerspiel um ein kurdisches Wiener Kellerlokal, in dem bis zu einem dramatischen Unglück diskutiert, gestritten und gesungen wird. Diagonale-/Viennale-erprobt und -prämiert.

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Wonderful Days


Südkorea 2003

90 Min.

Regie: Moon-Saeng Kim

 

Daß in Korea schon seit längerer Zeit eine äußerst selbstbewußte Gilde Filmschaffender tätig ist, beweisen nicht nur die verstörenden, in der gewaltsatten Schönheit des Verfalls schwelgenden Werke von Ki-Duk Kim ("Seom", "Address Unknown") oder Chan-Wook Park ("JSA", "Sympathy For Mr. Vengeance"). Spätestens mit Moon-Saeng Kims "Wonderful Days" dürfte auch der Startschuß für eine vitale koreanische Anime-Kultur gefallen sein. Der Verein AniManga bringt diesen inhaltlich an das Öko-Konzept von "Akira" angelehnten, dabei vor allem in optischer Hinsicht sehr berauschenden Leckerbissen nun für zwei Vorstellungen (Do., 12. 2., 20 Uhr sowie Fr., 13. 2., 21.15 Uhr) ins Wiener DeFrance-Kino. Sehenswert.

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