Broken Social Scene live
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Szene Wien, 30. Mai 2004
Pfingstsonntag: Eine Busladung Kanadier auf der Bühne, ein halbes Dutzend Ausnahmesongs im Gepäck und ein Konzert wie lange keines mehr. Christoph Prenner war dabei. 01.06.2004
Nicht alles, was erscheint, ist gut. Aber alles was gut ist, erscheint auch irgendwann. Wie etwa "You Forgot It In People", das mehr als nur phänomenal zu heißende zweite Album des kanadischen Post-Rockkollektivs Broken Social Scene, das rund anderthalb Jahre nach seinem von der transatlantischen Musikjournaille außerordentlich abgefeierten US-Release endlich auch hierzulande via Ixthuluh einen Vertrieb gefunden hat. Moment mal: Post-Rock? Kollektiv? Wer jetzt anhand dieser Schlagworte seine Gedanken skepsiserfüllt in Richtung der Chicagoer Gedaddel-Schildkröte Tortoise wendet, dem darf Zuversicht verheißen werden. Nicht umsonst steht da ja auch noch ein "kanadisch" davor und weist die Fährte folgerichtig auch weiter in Richtung der grandiosen Klanggebirgeaufsteller von Godspeed You! Black Emperor (Ausrufezeichen darf beliebig vor- oder zurückverschoben werden), als deren Song-strukturierte Geistesverwandte man die bis zu 15 Menschen starke Band um Gründer Kevin Drew zu bezeichnen nicht umhin kann.
Daß man dieser im besten Sinne unbeschreiblichen Musik mit derartiger Schubladeneinteilung aber höchstens einen Bärendienst erweist, zeigt sich spätestens bei ihren mythenumwobenen Live-Auftritten. Nur wenige Minuten, nachdem die (zunächst fünf) Bandmitglieder die Bühne der Szene Wien betreten haben, spielen solche Zuweisungen ohnehin keine Rolle mehr. Denn hier gibt es schnörkelloses bis progressives Geschrammel, polyphone Glückseligkeit, Improvisationskunst, Brass-Sektion, auf fünf Leute aufgeteilte Lead-Stimmen (inklusive Kevin "J Mascis" Drews Kopfstimme), bisweilen vier Gitarrenhälse hoch und am wichtigsten: absolut zeitlose Übersongs wie "Stars And Sons", "Cause = Time", "Looks Just Likes the Sun" oder "Lover´s Spit". Es gibt dort aber auch ein erstaunlich und erfreulich erwachsenes Szene-Publikum (das hat man von der Nichtberücksichtigung im Jugendradio), das - so erscheint es dem Autor dieser Zeilen - die Querverweise auf Sonic Youth, dEUS, Mogwai, Dinosaur Jr oder Mercury Rev einzuordnen, zu deuten und zu würdigen weiß. Querverweise, die sich, und das sei hier gern wiederholt, aber schon sehr, sehr bald in baffem Staunen und aufgescheuchtem Enthusiasmus auflösen. Und auch wenn der heiße Scheiß momentan wohl eher (und wieder) in New York statt- und seinen Ausdruck in Reduktion, Druck und Lärm findet, wie Kollege Robotka letzte Woche in seiner Liars-Kritik bemerkte, so tut es der Freude ob bisweilen neun spielfreudiger, gleichzeitig auf der (zwangsweise zu eng werdenden) Szene-Bühne herumhüpfender Euphoriker überhaupt keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil.
Broken Social Scene - You Forgot It In People
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Arts & Crafts/Ixthuluh (Kanada 2002)
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