Akzente_KosmosTheater - Texte von Hertha Kräftner
Femmage an eine junge Dichterin
Das KosmosTheater ehrt Hertha Kräftner, die 1951 Selbstmord beging. Der Abend nähert sich dem Phänomen der Traurigkeit und dem Lebensgefühl der heimischen Nachkriegsjugend.
10.11.2003
"Is it possible to live in sadness?" fragt eine Produktion des KosmosTheaters zu Ehren der Dichterin Hertha Kräftner. Traurigkeit, Trauer und wie wir damit leben - das sind Themen, die die 1928 geborene Hertha Kräftner bewegten. Sie wuchs in Mattersburg auf, studierte in Wien Germanistik und Anglistik, belegte Vorlesungen in Psychologie und war mit Viktor E. Frankl befreundet. Ab 1948 publizierte sie in Zeitungen und Zeitschriften und gehörte zum Kreis um Hans Weigel. 1950 promovierte sie mit einer Dissertation über Franz Kafka.
"Gestern war der Tag wie ein schwerer, breiter Stein." So lautet eine wiederkehrende Zeile des Stücks. In der österreichischen Nachkriegsatmosphäre herrscht hektische Wiederaufbaustimmung, in der verdrängten Wirklichkeit besteht Trauer-Tabu. Ein Problem für eine junge Frau, die ihren Platz sucht, mehr noch für eine Dichterin. Mehr als ein Problem. Veronal wird zur Freundin, Liebe eine Rückzugsmöglichkeit.
Anhand von Textfragmenten Kräftners aus Lyrik und Prosa sowie Briefen und Tagebüchern wirft die Theaterproduktion im KosmosTheater Spotlights auf das Leben dieser Frau und Dichterin.
"Gehen.
Gehen.
Bis ich nicht mehr kann.
Man schmerzt nicht so beim Gehen."
Das Ziel der Inszenierung ist es nicht, das Leben Kräftners zu sezieren. Genau darin liegt aber auch das Manko: Zusammenhanglos erscheinen die Stationen aus dem Leben der Autorin, wenn das Publikum nicht mit ihrem Leben vertraut ist oder selbst aus ihrer Generation stammt. (Bei der Premiere wurde nur eine ältere Dame gesichtet.) Die Situation, in der Hertha Kräftner damals lebte und studierte und schrieb, wird nicht wirklich offenkundig.
Spekulativ bleiben auch die Hintergründe und Ursachen für Kräftners Melancholie und ihren Selbstmord - etwa, wenn es heißt: "Wie gut, daß mein Vater tot ist." Steckt hinter Kräftners Trauer und Traurigkeit, hinter ihren psychischen Problemen ein Trauma familiärer Natur? Oder Kriegs- und Nachkriegsgeschichten? Immerhin erlebte die 1928 Geborene die Nazizeit, Krieg und Nachkriegszeit in einem Alter, wo ihr das Geschehen bereits mehr und mehr bewußt war.
Die zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler begeistern hingegen mit tollen Stimmen und exzellenter Sprache. Das Bühnenbild bleibt karg, die DarstellerInnen treten in Turnschuhen auf, die Kostüme der beiden Frauen sehen aus, wie man sich biedere Kleidung aus den fünfziger Jahren vorstellt. Fazit: Interessante Texte - aber nicht unbedingt zur Dramatisierung geeignet; vielleicht hätte es aber auch mehr Dramatisierung und mehr Handlung bedurft.
Anni Bürkl
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