Akzente_Warren Suicide

Suizid im Säureregen

Ein angfressenes Strichmaxerl, das zu heftig bratzendem Electro mit unverhohlenen New-Wave-Avancen asozial herumfuhrwerkt: am 15. Dezember im Wiener Shelter.    13.12.2004

Am Anfang stand wie bei so vielen Erfolgsgeschichten (Mediengruppe Telekommander ist nur eine darunter) der jüngeren Zeit lediglich ein im Internetz frei verfügbares Audiofile - aber was für eines! Wer es gehört hatte, mußte es - das hatte "Tonspion"-Kollege Udo Raaf als einer der ersten in seiner Einschätzung ganz richtig erkannt - entweder hassen oder lieben.

"Warren Suicide" war jene MP3 betitelt, und so heißt auch das Projekt, das sie auf Tonspur gebannt hatte. Und da besagte Audiodatei in ihrem Umlauf bald nicht mehr zu stoppen war, die Liebenden den Hassenden also weit überlegen waren, wurde aus dieser dreist knackenden, kühl und schmierig dahinpoppenden Electro-whatever-Popnummer mit Alan-Vega-Gefauche (nicht umsonst die Suicide-Anspielung im Namen) bald ein Underground-Hitchen, und kein kleines dazu. Wenn schon nicht das (Musik-)Fernsehen, so war doch zumindest der Funk (im Falle Ö der alternative Staatsfunk des Landes) mit ein paar Monaten Verspätung angetan von dem sich einen feuchten Kehricht um Stilgrenzen scherenden Haufen von Musikern - der sich so artsy Künstlersynonyme wie Cherie, Fremdkörper und Nackt aufs Namenschildchen schreiben läßt - aus Berlin-Neukölln.

Während sich zeitgeistige Electroclash-Apostel langsam um sie zu scharen begannen, stießen Warren Suicide diese bewußt vor den hübsch zurechtfrisierten Kopf und spielten auf gänzlich unschicken Dark-Wave-Festivals auf und auf ihrer im Frühsommer veröffentlichten Debüt-EP auch schon einmal eine schwer rockende Coverversion des Sisters-Of-Mercy-Klassikers "Black Planet" ein. Fuck other peoples´ expectations, kreiere deine eigenen.

Untrennbar verbunden mit den eigenen Visionen ist aber auch eine hastig hingekraxelt wirkende Comic-Figur, nämlicher Warren Suicide eben. Ein asozial garstiger, Schweinderln in Stücke schneidender Kobold, ein Pumuckl der Schlachthöfe, der den visuellen und ideellen Überbau dieses Konzept-Electro-Paketes liefert, das es am kommenden Mittwoch im Shelter erstmals live in Österreich zu erleben gibt.

Und wie man hört, soll es dort schon den nächsten Mittelfingerzeig geben: Angekündigt ist (sofern es sich nicht wieder um einen Marketing-Schmäh handelt) ein Akustik-Gig nur mit Gitarre und Gesang. Electro: Unplugged. Harte Zeiten für Puristen.

Christoph Prenner

Warren Suicide live


Wann: Mi., 15. 12. 2004, 21 Uhr

Wo: Shelter, Wallensteinplatz 8, 1200 Wien

 

Links:

Warren Suicide - Warren Suicide EP (CD & DVD)


Leiternfabrik/edel (D 2004)

 

Links:

Warren Suicide - Butcher Boy


Leiternfabrik/edel (D 2004)

 

Links:

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