Musik_CD-Tips KW 12/08

British Invasion

Meteorologen behaupten ja gern, daß der frische Wind oftmals von den britischen Inseln zu uns herüberbläst. Was für das Wetter zutrifft, gilt erst recht für die Musik - wie diese drei Tonträger beweisen.    21.03.2008

Christoph Prenner

Blood Red Shoes - Box Of Secrets

ØØØØ

Cooperative/Universal (GB 2008)

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Sie sitzen naturgemäß locker, die Vergleiche mit den White Stripes oder den Kills - schließlich gibt es ja dieser Tage nicht so viele Junge/Mädchen-Rock-Duos. Und dennoch kann man den Blood Red Shoes aus Brighton (dem, so scheint´s, neuen Musik-Mekka Britanniens) mit diesen naheliegenden Vergleichen nicht wirklich gerecht werden. Wo sich obige Kapellen gern einmal in der Geste der Reduktion gefallen, kennen Steven Ansell, der singende Schlagzeuger, und Laura-Mary Carter, die singende Gitarristin, keinen Genierer, wenn es darum geht, einen Song mit aller gebotenen Durchschlagskraft nach vorne zu peitschen.

In dieser unbekümmerten Offensive, dieser Riff- und Wechselgesang-Wucht liegt auch die große Stärke der Shoes: Als wären Grunge und Brit-Pop einst keine kaum vereinbaren Antagonisten gewesen, verknüpfen sie auf ihrem mehrmals verschobenen Debütalbum "Box Of Secrets" die losen Fäden von latenter Aggression und Melodienpracht zu einem wild wummernden, hochinfektiösen Brocken Teenage-Angst-Rock, der gerade deswegen so gut funktioniert, weil er eben kein Morgen kennt oder kennen muß. Deshalb möchte man besser auch gar nicht wissen, wie die BRS in zwei Jahren oder so klingen werden.

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Foals - Antidotes

ØØØØ 1/2

Warner (GB 2008)

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Man will das ja eigentlich nicht gut finden. Wieder mal eine allerorten als neuer heißer Scheiß verkaufte Band aus dem UK, wieder mal Kunsthochschul-Background (wenn´s nicht wahr sein sollte, zumindest ein "gefühlter", wie man so blöd sagt), wieder mal mehr clevere Zitate, als man bei den ersten fünf Hördurchläufen entziffern kann - und wieder mal Burschen, die noch so jung sind, daß man sich fragt, woher die denn das um Himmels willen alles haben und wissen können. Aber nicht nur in Anspielung auf ihr noch zartes Alter ergibt der Bandname Sinn: Yannis Phillipakis und seine Mitstreiter sind auch sonst noch genauso wild und ungestüm, wie man sich das von Fohlen eben erwarten kann.

Nicht minder zappelwillig ist beim Hören des Foals-Debütalbums allerdings auch dem Rezensenten zumute. Da können die Oxforder noch so vehement auf Afro-Beat, Michael Jackson, The Jam und was auch immer hinweisen: "Antidotes" ist die Talking-Heads-Tribute-Platte des Jahres. Die zackigen Gitarren, das so wie funky wie repetitiv, ja, dahingaloppierende Schlagwerk, das hymnisch-hysterische Harmoniegesinge - ist das "Remain In Light" fürs neue Jahrtausend? Zumindest der Hit-Anteil ist ein ähnlich hoher: "Balloons", "Cassius", "Red Socks Pugie" oder das wunderbar getragene "Big Big Love (Fig 2)" lassen einen gepflegt und steppenden Hufes über die Frühjahrsmüdigkeit hinwegfegen.

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Elbow - The Seldom Seen Kid

ØØØØ

Polydor/Universal (GB 2008)

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Nicht mehr ganz so jung und schon gar nicht so hibbelig sind dagegen Elbow. Und leider waren sie bislang auch bei weitem nicht so erfolgreich wie Coldplay und andere, in ähnlichem Melancholie-Sound-Gewässer fischende Bands. Das wird sich auch mit Album Nr. 4 nicht maßgeblich ändern. Fast scheint es so, als ob sich Guy Garvey und die seinen damit abgefunden haben, daß sie nie das ganz große Ding, sondern eben immer eine Band für Liebhaber (im doppelten Wortsinn) sein werden.

Dementsprechend in sich ruhen auch die Songs von "The Seldom Seen Kid". Klug und Sound-schön ausbuchstabierte Edel-Pop-Stücke sind das, die Parameter wie Radiotauglichkeit und Massenverträglichkeit nur peripher tangieren dürften. Wozu auch? Wer Großtaten wie etwa "The Loneliness Of A Tower Crane Driver" in petto hat, dem kann es auch herzlich egal sein, ob seine Music for the masses ist - oder eben nicht.

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