Musik_Christian Harder - Goodbye Monkey Gravity

Terror in Popland

Neustart nach dem One-Hit-Wonder: Der Produzent der Mediengruppe Telekommander erweist sich nicht nur optisch, sondern auch musikalisch als Chamäleon.    11.11.2004

Christian Harders Start ins Musikgeschäft war ein klarer Fall von Sprung ins kalte Wasser. Als er vor etwa zwei Jahren als absoluter No-name-Producer unter dem Pseudonym KidQ seinen kleinen Trash-Technotrack "This Feeling" produzierte, hätte er sich wohl auch nicht gedacht, daß dieser einige Zeit später von einem Majorlabel lizensiert, in die deutschen "Top 20" einsteigen und schließlich auch noch dreist von den Teutonen-Techno-Dodeln von Scooter für deren Zwecke ("Weekend") mißbraucht werden würde. Ob so etwas nun ein Jump- oder doch Fehlstart ins Haifischbecken Popbiz war, muß sich jeder selbst ausmalen. Harder war dies alles aber erst einmal egal. Er stampfte sein Charts-Alter-ego kurzerhand wieder ein, um fortan das sehr gelungene Einstandswerk der Mediengruppe Telekommander zu produzieren - und nebenbei unter neuem Namen, Kandisquer, an wesentlich eigenwilligerer und experimentellerer Electronica zu arbeiten (die vielen Hörbeispiele auf der Kandisquer-Homepage geben darüber noch Aufschluß).

Unter seinem bürgerlichen Namen legt er nun sein eigenes Albumdebüt vor, das krypto-lustig "Goodbye Monkey Gravity" betitelt ist. Auf elf Stücken legt sich der 25jährige Vielproduzierer darauf seinen eigenen Zugang zu Electro-Pop zurecht: eingängig, aber nie so offensichtlich, daß gleich Alarmglocken schrillen müßten. An der Schnittstelle von Track und Song, zwischen den Polen Club- und Wohnzimmer-Sound hantiert er, streift dann und wann an Geistesverwandte wie Dakar & Grinser (für den hedonistischen Kick) oder Turner (wenn´s etwas verzärtelter zugehen darf). In "Popland" wird zu geradlinigen und darken Retro-Electro-Stampfern mit den eigenen 15 Minuten Ruhm abgerechnet ("Terror in popland/fucking the top plans"), "Grady" ist Data-Pop mit Falco-Schatten, "Remember Me" ein ehemaliger Kandisquer-Track im verzwirbelten Prä-Millennium-Warp-Gewand. Das abschließende "Leichen im Keller" ist dann das eigentliche Highlight der Platte, ein Stück zurückgelehnter Innerlichkeits-Pop (mit einer der besten deutschen Textzeilen dieses Jahres: "Es scheint als geht es leichter, dabei falle ich nur schneller/ich drehe mich im Kreise, das wirkt professioneller"), das wirklich Klasse hat und zeigt, daß dem Hamburger in den nächsten Jahren eine große Zukunft im vielbeschworenen Pop-Standort Deutschland bevorstehen könnte. Und das ganz ohne "Top of the Pops" und Konsorten.

Christoph Prenner

Christian Harder - Goodbye Monkey Gravity

ØØØØ


Wonder/Ixthuluh (D 2004)

 

Links:

Kommentare_

Kino
Viennale 2012/Journal III

Me vs. The Mob

Im finalen Teil der EVOLVER-Festival-Berichterstattung müssen sowohl Woody Harrelson als auch Mads Mikkelsen mit einem ihnen feindlich gesinnten Umfeld fertig werden - freilich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Hereinspaziert in "Rampart" und "Jagten".  

Kino
Viennale 2012/Journal II

Sehen und Raunen

Alte Helden, neue Helden: Takeshi Kitano findet in "Autoreiji: Biyondo" langsam wieder zu seiner Form zurück, verheddert sich aber letztlich zu sehr in der Handlung. Dafür darf Ben Wheatley nach "Sightseers" endgültig in die Riege der erstaunlichsten europäischen Regisseure aufgenommen werden.  

Kino
Viennale 2012/Journal I

Perspektiven-Rausch

Bleibende Eindrücke der ersten Viennale-Tage: Die akribische Doku "Room 237" zerlegt "The Shining" in alle Einzelbilder, die große Matthew-McConaughey-Schau "Killer Joe" dafür Hendln in mundgerechte Portionen.  

Kino
Das Bourne Vermächtnis / Interview Jeremy Renner

Der zweite Mann

Plötzlich A-List: Spätestens seit seinen Auftritten im "Avengers"-Film und im vierten "Mission: Impossible"-Teil gilt Jeremy Renner als Hollywoods kommender Superstar, auch wenn er darin eher nur in der zweiten Reihe stand. Im aktuellen "Bourne"-Sidequel spielt er nun auch erstmals in einem Blockbuster die Hauptrolle - zumindest so lange, bis Matt Damon wieder zurückkehrt. Der EVOLVER hat den 41jährigen zum Interview getroffen.  

Kino
/slashfilmfestival 2012

Sieben /slash-Schönheiten

Daß das /slashfilmfestival im Wiener Filmcasino eine gar nicht genug zu lobende Bereicherung der heimischen Kinolandschaft darstellt, hat sich längst herumgesprochen. Der EVOLVER stellt ausgewählte Glanzlichter des dritten Durchgangs vor.  

Kino
Viennale 2011/Journal III

Sturm und Zwang

Das dritte und letzte Kapitel unserer Viennale-Berichterstattung steht im Zeichen der Unruhe vor dem Sturm - und damit der beeindruckendsten Arbeit des Festivals: "Take Shelter".