Musik_Compilation Control Vol. 2

Jubiläumsausgaben

Øye! Der zuversichtliche König des Nerd-Narzißmus bruchlandet mit Karaokeisierung seiner DJ-Kicks. Sonst: FM4-Sounds sowie Compilations der Minimal-Labels Ware und Pokerflat.    24.05.2004

 

Christoph Prenner

Erlend Øye - DJ-Kicks

ØØØ


!K7/Soul Seduction (D 2004)

 

Damit es die geneigten Leser und der Verfasser dieses hochkomprimierten Info-Brimboriums hinter sich haben: zuerst gleich zum problematischen Teil. Und der besteht ausgerechnet in der neuesten Ausgabe der gewöhnlich renommierten" DJ-Kicks"-Reihe (nein, auf Aufzählungen der diversen Plattenverleger wird hier verzichtet). Denn die vorliegende bestreitet Datenpopschlacks-laut-weil-leise-in-allen-Gassen Erlend Øye. Schon der Mix oder - in Ermangelung eines solchen - besser gesagt, die Zusammenstellung des zuversichtlichen Königs gibt einiges an Rätseln auf. Relativ vorhersehbar hantelt sich Øye da zwischen Retro-Electro-Hadern, Schaffel-House und wirklich abgelutschten Indie-Disco-Kamellen umher. Dabei ist das gesamte Set über weite Strecken so erschreckend auf harmlos, lieb und Psychologiestudentinnen-konform getrimmt, daß selbst Highlights wie The Rapture, Avenue D oder Ricardo Villalobos darin gnadenlos versumpfen. Von Øyes Übergangs- und Unterstützungs-Singsang (das Selbstgeheiß lautet auf "Singing DJ"), der ab dem dritten A-cappella-Einstieg mit Elvis- und The-Smiths-Standards so und so nur noch anödet, einmal ganz abgesehen... Kein Applaus.

 

Namen? The Rapture, Jürgen Paape, Phoenix, Avenue D, Röyksopp, Jackmate u. a.

Links:

V/A - Five Years of Pokerflat Recordings

ØØØ 1/2


Pokerflat/Soul Seduction (D 2004)

 

Jubiläumsfeierlichkeit, Teil eins. Geschlagene fünf Jahre ist es also schon wieder her, daß Steve Bug mit der 12" "Double Action" (inklusive des später und spätestens durch DJ Kozes grandiosen Mash-up mit Blumfelds "Tausend Tränen tief" bekannt gewordenen "Loverboy") in Hamburg sein eigenes Label aus dem damals in Minimal-Techno bzw. -House karg bewachsenen deutschen Boden stampfte. Seitdem ist ziemlich viel Wasser die Elbe hintergeflossen und Pokerflat Recordings dank Künstlern wie Hakan Lidbo, Märtini Brös oder Bug selbst neben Kompakt, Playhouse, Ware (siehe unten) zu einem der stilbildendsten deutschen Imprints reduzierter Tanzmusik geworden, dessen Blick dann auch immer eher nach vorn denn zur Seite gerichtet war. So nimmt es auch kaum Wunder, daß diese Label-Compilation weniger Werkschau als angesichts einer Überzahl an noch Unveröffentlichtem vielmehr verheißungsvoller Ausblick auf in Zukunft nahende Releases ist. Auf der zweiten Disc findet sich zudem ein funky zusammengeklöppelter Mix von Maestro John Tejada himself. Nur das einstmals so stylish nadelgestreifte Dandy-Outfit der pokernden Herrschaften auf Pokerflat-Plattencovern ist diesmal leider einem etwas grobschlächtigen "Cars, Girls & Guns"-Comicsujet gewichen.

 

Namen? Steve Bug, Martin Landsky, Märtini Brös, Hakan Lidbo, Glowing Glisses u. a.

Links:

V/A - Warenkorb #5

ØØØØ


Ware/Ixthuluh (D 2004)

 

Jubiläumsfeierlichkeit, Teil zwei. Und damit wird´s jetzt auch einmal so richtig interessant. Denn auf "Warenkorb #5" wird zwar "nur" ein Compilation-Jubiläum (Mathias Schaffhäusers dazugehöriges Label Ware wird heuer bereits sieben Jahre alt) begangen - aber das hat es in sich, und Großes ist in Sicht. Im Gegensatz zu den Kollegen von Pokerflat ist man bei Ware viel weniger dem Purismusgedanken verhaftet, was den Warenkorb demnach auch so richtig bunt füllt. Vornehmlich junge, unbekannte oder -entdeckte Producer wie Brian Aneurysm, Featherweight oder Matthew Mercer sind es, die hier in Sphären vorstoßen, die jegliches Minimal-Korsett von Anfang an mit barem Forscherwahn zersprengen. Angeführt wird das wilde Rudel von Mr. Schaffhäuser selbst (in Topform: "It´s Still A Strange & Beautiful World") sowie von einer schmirgelnden und zugleich opalisierenden Kooperation der Kölschen Electro-Popper Coloma und Breakbeatbastler Bob Humid: "The Second Closer Still (Third Blade Remix)". Sounds like futurism to me.

 

Namen? Mathias Schaffhäuser, Coloma vs. Bub Humid, Matthew Mercer, The Kitbuilders, Markus Güntner u. a.

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V/A - FM4 Soundselection 10

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Sony (Ö 2004)

 

Jubiläumsfeierlichkeit, Teil drei. Auch das Hitradio für die Indie-Jugend begeht Anfang 2005 einen (und zwar den zehnten) Jahrestag seit seiner Gründung. Anscheinend ist dies Grund genug, vorab schon einmal mit einer weiteren Selektion des in den FM4-Kanon aufgenommenen Sounds das öffentlich-rechtlich-alternative Gemischtwarenterrain abzustecken. Überraschungen darf man sich demzufolge zwar keine großen erwarten, die überbösen der Vergangenheit - in Form der hurra-patriotischen "SPD-Band" (© Elena Lange/Stella) Wir sind Helden - wurden nahtlos durch neue ersetzt (Lazy Youths miefiger, maximal auf Schlagerradio-Textlevel operierender PC-Dancehall). Mit dem isländischen Hopeful Gisli, den Benjamin-Diamond-Protegés Octet und Gommas upcoming Durch-die-Decken-Geher Mocky lassen sich aber dennoch potente Fundstücke ausmachen. Disc 2 widmet sich dann wie gewohnt und mit den gewohnten Längen dem österreichischen Musikschaffen. Neben allerhand gut gemeint dahinplätschernder Meterware gibt es aber auch hier Reizvolles zu entdecken: Mediengruppe Telekommander, Naked Lunch (die mit dem selben Song aber auch schon auf Vol. 7 dabei waren) und last but not least Cirque de Delays absolut grandios electroclashende Neudefinition von Manowars Schlachtgesang "Metal Warriors". Wenn auch nur 50 Prozent aller vertretenen Tracks diese Qualität hätten, könnte man diese "Soundselection" gleich wesentlich vorbehaltloser empfehlen.

 

Namen? The Von Bondies, Sophia, Winson, Cypress Hill, Mediengruppe Telekommander, Cirque de Delay u. a.

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Kommentare_

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