Musik_Enon - Hocus Pocus

Schmetterlingssex für die Herbsthölle

Das Land ist trüb geworden, die kargen Sonnenstrahlen sehen aus wie Neutronenbombenpilze. Zwischenmenschliche Tändeleien braucht man jetzt am wenigsten. Oder doch?    17.11.2003

Wer soll das Gegengift zu Kollektivtrübsal und klassisch Bernhard-geschulter Zimmeronanie werden? Enon sind so ein Antidote, ein genüßliches Vergnügungsgift, das einem Birne, Herz und Geschlechtsrost freischüttelt. Großspurige, Britdandy-geschulte Popismen von Bowie, Kinks bis zur Bonzo Dog Band, Songwriter-Kunst (allein "The Power of Yawning"...), von der sich ein Edwyn Collins noch ein Scheiberl Weltzynismus und Trällergenius abschneiden darf. Frankophiles Breitwandtirilieren von so essentiellen Weltdetails wie dem Cruisen auf der Champs Elysées mit wechselnden Geschlechtspartnern, dazugehörigen Jet-Set-Sonnenbrillen und der Weltradio empfangenden Austin-Powers-Rolex.

Und das alles schockgedämpft in einem gerüttelt Maß Garagen-Rifferei und serviert auf einem Zartbouquet aus fast experimentellen Sequencern, Schlagwerk und schrotklirrenden Plunderphonics. Ach ja - wurde schon erwähnt, daß dazu Ex-Blonde-Redhead-Chanteuse Toko Yasuda die betörendste Nippon-Göre on Vox gibt, die sich der Euro-Otaku in seinen extremsten Fieberträumen nicht zu erträumen wagte? Und daß Band-Mastermind John Schmersal mit Enon direkt an die ziemlich geniale Vorgängerpartie Brainiac anschließt, die bereits vor einem Jahrzehnt das Kapitel Elektro-Rock weitaus tragfähiger auf den Mittagstisch krawallte, als es heutige Hype-Genossen wie The Faint, Chicks on Speed oder House of Fix vermuten lassen? Indie-Rawk´s never been this sexy. Also ab damit ins Kuschelverlies. Die Herzensschänder warten.

Paul Poet

Enon - Hocus Pocus

ØØØØØ


Touch and Go/Trost Records (USA 2003)

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