Musik_Frank Bretschneider - Party of two Parts

Vamos, Minimalista!

Wenn er ein Klischeebild zerfegt, dann das vom unsinnlichen Electronica-Knöpferldreher, der zehn Jahre zu spät die Welt erobern will. Dieser Mann braucht kein Genre - er ist eines.    16.02.2004

In Zeiten wie den unseren, wenn Electronic Listening - wie jede alternde Musik - ein Brettspiel für uninspirierte Nachfolger im Clinch mit sich selbst institutionalisierenden Veteranen geworden ist, bleibt kaum Platz für wirklich beeindruckende stilistische Schübe. Einige Trendwülste gab´s schon die letzten Jahre: Clicks´n´Cuts als nach innen wachsende Modifikation des Cut-Up und der Soundabstraktion etwa. Oder MicroHouse und Electronique Pop, um doch noch etwas Groove und Sex ins schale "ProTools"-Blubberhäuschen zu locken.

Frank Bretschneider ist in dieser Szene eine der ganz wenigen, glänzenden Ausnahmen, die sich in und um besagte, aber vor allem außerhalb dieser Stilausbuchtungen bewegt hat. Das Genie ist immer im Jenseits. Und er als fast zwei Meter großer Henker aus der ehemaligen Karl-Marx-Stadt, fast 50, lange schon Avantgardemusiker (A. G. Geige), bevor er zum Computer griff, darf das ruhig für sich reklamieren. Als Visual Designer auch immer an der optischen Auflösung der Soundtracks interessiert, gründete er Mitte der Neunziger gemeinsam mit Olaf Bender und Carsten Nikolai das wegweisende Labelkollektiv für ultrakarges Knarz- und Delay-Gerüttel, Raster-Noton. Doch wie seine manchmal opulent blau und grün explodierenden CD-Cover zeigen, heißt Reduktion bei ihm nicht Verlust der Opulenz.

Da fordern keine stundenlangen, beliebig zerwaschenen Clonk-Repetitionen den Blick aufs Ührchen. Stattdessen köchelt er wie kein anderer in einer Unmenge an gewitzten Tracks, ob als Funk-Skelett auf der Langstreckbank, als krachrhythmisch unterlegtes Fiepdonnerwetter oder als sphärischer Pulspurismus, ein präzises Süppchen aus minimaler Orchestrierung mit dem Maximum an anorganischer Wärme. Da darf man gut und gerne auch einmal Aphex Twin oder Oval aus dem Gedächtnis streichen. Denn gerade wenn Bretschneider zur Mouse greift, sei es bei seinen spartanischen Meisterwerken "Curve" und "Balance", dem Marathongeknurpsel als Alter ego Komet (wie zuletzt auf "Gold") oder bei mittlerweile durchwegs gefälligen Fast-Dancetracks wie auf der EP "Party of Two Parts", erweist er sich als der letzte verbleibende Gott im immer leerer gewordenen Gral des Ocean of Sound.

Paul Poet

Frank Bretschneider – Party of two Parts

ØØØØØ

Komet - Arc EP


Underscan/Fällt (D 2003)

Links:

Komet - Gold

ØØØØ


Raster-Noton (D 2003)

Links:

Kommentare_

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