Musik_Head Automatica - Decadence

Brooklyn brennt

Do the decadence: Glassjaw-Sänger Daryl Palumbo begibt sich gemeinsam mit der HipHop-Produzenten-Koryphäe Dan The Automator auf die Suche nach dem "electronic cock-rock".    27.01.2005

Das einstmals Aufbruch und Innovation versprechende Zusammentreffen der Giganten Rock und HipHop ist ja eigentlich schon längst als ein einziges großes Mißverständnis auf dem Friedhof der Musikgeschichte sechs Fuß tiefergelegt worden. Als Totengräber fungierten dabei Vollzeitnervensägen wie Limp Bizkit oder Linkin Park (By the way: Was hat sich eigentlich der relativ unstreitbare Rap-Zampano Jay-Z dabei gedacht, mit zweiteren ein "Mash-Up"-Album aufzunehmen? Geldnot wird's ja kaum gewesen sein ...).

Skepsis war also angebracht, als ein gemeinsames Seitenprojekt von Daryl Palumbo, dem Vokalisten der Post-Hardcore-Heroen Glassjaw, und dem umtriebrigen HipHop-Producer Dan "The Automator" Nakamura (u.a. Mitglied der Handsome Boy Modeling School und der Gorillaz) angekündigt wurde. Doch "Decadence", das Debütalbum von Head Automatica beseitigt diese Zweifel schneller als man "Rap-Metal" sagen kann. Denn den findet man darauf mit Sicherheit nicht. Schon eher etwas, das sich laut Eigendefinition der beiden "electronic cock-rock" nennt, das man aber schlicht und einfach auch als Party-Rock beschreiben könnte. Oder als Disco-Rock. Meint: mit dem derzeit angesagten spartanischen und reduzierten Geschraddel diverser "The"-Bands haben Head Automatica herzlich wenig am Hut. Mit der Konzeptstrenge von Glassjaw noch weniger.

Vielmehr gilt: Anything goes, solange es Spaß macht, bunt glitzert und am besten auch noch Sex-Appeal hat. Daß sich aus dem heftig tanzbaren (und dabei weniger als erwartet beat- und elektroniklastigen) Gemisch aus Rock, Punk, Disco und Funk auch noch einige tendenziell fürs Mainstream-Radio taugliche Tracks empfehlen, dürfte die Erfolgsaussichten der New Yorker Kreuzüber-Bastelgemeinschaft auch nicht gerade schmälern. Unverschämte Ohrwürmer wie "Beating Heart Baby", "The Razor" oder das absolut unwiderstehliche "Dance Party Plus" (Name ist Programm) legen die Meßlatte für ähnliche Musikentwürfe schon einmal denkbar hoch. Daß ob des hohen Niveaus selbst andere "Decadence"-Albumtracks schnell zum semi-spektakulären Füllmaterial geraten: geschenkt. Denn so hochenergetisch und sexy hat man schon länger nicht mehr abgerockt.

Christoph Prenner

Head Automatica - Decadence

ØØØ 1/2


Warner (USA 2004)

 

Links:

Kommentare_

Kino
Viennale 2012/Journal III

Me vs. The Mob

Im finalen Teil der EVOLVER-Festival-Berichterstattung müssen sowohl Woody Harrelson als auch Mads Mikkelsen mit einem ihnen feindlich gesinnten Umfeld fertig werden - freilich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Hereinspaziert in "Rampart" und "Jagten".  

Kino
Viennale 2012/Journal II

Sehen und Raunen

Alte Helden, neue Helden: Takeshi Kitano findet in "Autoreiji: Biyondo" langsam wieder zu seiner Form zurück, verheddert sich aber letztlich zu sehr in der Handlung. Dafür darf Ben Wheatley nach "Sightseers" endgültig in die Riege der erstaunlichsten europäischen Regisseure aufgenommen werden.  

Kino
Viennale 2012/Journal I

Perspektiven-Rausch

Bleibende Eindrücke der ersten Viennale-Tage: Die akribische Doku "Room 237" zerlegt "The Shining" in alle Einzelbilder, die große Matthew-McConaughey-Schau "Killer Joe" dafür Hendln in mundgerechte Portionen.  

Kino
Das Bourne Vermächtnis / Interview Jeremy Renner

Der zweite Mann

Plötzlich A-List: Spätestens seit seinen Auftritten im "Avengers"-Film und im vierten "Mission: Impossible"-Teil gilt Jeremy Renner als Hollywoods kommender Superstar, auch wenn er darin eher nur in der zweiten Reihe stand. Im aktuellen "Bourne"-Sidequel spielt er nun auch erstmals in einem Blockbuster die Hauptrolle - zumindest so lange, bis Matt Damon wieder zurückkehrt. Der EVOLVER hat den 41jährigen zum Interview getroffen.  

Kino
/slashfilmfestival 2012

Sieben /slash-Schönheiten

Daß das /slashfilmfestival im Wiener Filmcasino eine gar nicht genug zu lobende Bereicherung der heimischen Kinolandschaft darstellt, hat sich längst herumgesprochen. Der EVOLVER stellt ausgewählte Glanzlichter des dritten Durchgangs vor.  

Kino
Viennale 2011/Journal III

Sturm und Zwang

Das dritte und letzte Kapitel unserer Viennale-Berichterstattung steht im Zeichen der Unruhe vor dem Sturm - und damit der beeindruckendsten Arbeit des Festivals: "Take Shelter".