Musik_CD-Tips KW 35/07

Angriff der Alleinunterhalter

Diese drei CDs haben eines gemeinsam: sie stammen von Künstlern, die einen sehr individuellen Stil entwickelt haben. Spannende Klänge mit mutwilligen Grenzüberschreitungen, zusammengehalten von starken Persönlichkeiten.    31.08.2007

Manfred Prescher & Christoph Prenner

Moneybrother - Mount Pleasure

ØØØØØ

SonyBMG (Schweden 2007)


Alter Schwede! Man muß Anders Wendin einfach Respekt zollen - der ehemalige Kopf der Ska-Kombo Monster hat mit seinem Alter ego Moneybrother ein eigenes Universum geschaffen. Richtig deutlich wird das nur in Albumlänge; aus dem Kontext gerissene Lieder mutieren dagegen zu "einfachen" Popsongs. Das ist die Crux an Moneybrother-Singles und gilt auch für die aktuelle, "Just Another Summer". Aber wer braucht schon Singles? Vier CDs zeigen die Stärke des Skandinaviers, allerdings ist eine nur über Nordeuropa-Import zu bekommen. Das wird sich ändern, wenn wir alle erst mal den "Mount Pleasure" bestiegen haben.

Die Mischung macht´s einfach. Soul, schräger Pop, der früher mal den Stempel "Indie" bekommen hätte, Ska-Einsprengsel und der weitgehende Verzicht auf Rockismen aller Art - man kann das als eigenwillige Fusion-Sounds bezeichnen. So etwas artet spielend leicht in Kunsthandwerk aus, aber in diesem Fall nicht, da Wendin ein hervorragender Songwriter ist, der seine hübschen Melodien perfekt auf den Punkt bringt. Das macht glücklich und süchtig, wie in "It Might As Well Be Now", dem lieblichen Duett mit der Norwegerin Ane Brun, oder in "It Will Not Happen Here". Dieser Track erklärt das ganze Album, weil Moneybrother hier davon singt, wie einfach es ist, glücklich zu sein. Für den Moment braucht es nur ein ruhiges Stündchen auf dem Gipfel des "Mount Pleasure".

 

Moneybrother live: 28. September, WUK Wien 

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Gravenhurst - The Western Lands

ØØØØ 1/2

Warp/edel (GB 2007)


Dürfte ich Ihnen kurz das Mikrophon entreißen, werter Kollege? Obwohl ich den Moneybruder und seinen Springsteen-Spleen wohl nie verstehen werde, kann ich dem Konzept der idiosynkratisch vor sich hin spinnenden Ein-Mann-Band (mit Live-Verstärkung) ja durchaus etwas abgewinnen - Stichwort: Mark Hollis. Wie es scheint, hat das Talk-Talk-Mastermind jetzt endlich einen Nachfolger gefunden, und zwar in Nick Talbot. Auf dessen drittem (bzw. viertem, wenn man die Musik zum deutschen Film "Ein Freund von mir" mit einrechnet) Album als Gravenhurst empfiehlt sich der Brite nun endgültig für die Meisterklasse kontemporären Singer/Songwriter-Schaffens.

"The Western Lands" ist der bestmögliche Soundtrack, um in nebelverhangenen Alleen gedankenverloren durch die Gegend zu stromern. Dieser Tip mag im Spätsommer zwar verfrüht erscheinen, doch Sie dürfen es ruhig glauben: er wird sich in ein, zwei Monaten als goldrichtig erweisen. Hier gibt es unheilschwangeren Folk, verhuschte Leisetreter-Rock-Romantik, aber bisweilen eben auch gelegentlich epische Gitarrenwucht. Über all dem schwebt die so klare wie ungreifbare Stimme des Burroughs-Verehrers (siehe Albumtitel) Talbot, die selbst Literatur zum Schmelzen bringen würde - oder so ähnlich. Eine der besten Platten, die nie auf 4AD erschienen ist.

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Ben Harper & The Innocent Criminals - Lifetime

ØØØ

Virgin USA/EMI (USA 2007)


Es wird erzählt, daß Ben Harper als Spätpubertierender eine Slide-Gitarre geschenkt bekommen hat und seither nicht von der Musik lassen mag. Auf jeden Fall kann der Kalifornier mit dem Gerät prima umgehen, was insgesamt zehn Alben belegen. Daß er auf den Platten nicht den geraden Kurs in Richtung erfolgreicher Pop-Underground-Mucke einschlägt, sondern Genregrenzen nach eigenem Gusto sprengt, hat verhindert, daß Harper zum Superstar wurde. So einer hat eigentlich das Zeug zum Neo-Springsteen oder Neo-Sonstwas. Stattdessen spielt er mit den Blind Boys Of Alabama und mischt Gospel, Funk, Blues oder auch Jazz und Country zu einem Mix, dem nur wenige folgen können - weil der normale Mensch eben seine engen Geschmacksgrenzen zur Abgrenzung nutzt ...

Andrerseits tendieren Ben Harpers Platten wirklich öfter in Richtung Beliebigkeit. Das gilt auch für "Lifetime". Warum zum Beispiel braucht es ein fades Instrumental wie "Paris Sunrise #7"? Weil man dafür einst im Himmel von Miles Davis geadelt wird? Wohl eher nicht. Licht ("Needed You Tonight", "Put It On Me") und Schatten ("Having Wings") wechseln sich auf "Lifetime" ab, was die Platte sehr extrem wirken läßt.

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