Musik_Peaches - Fatherfucker

Schütteln Sie Ihre Glieder!

Madonna und Trent Reznor tun es. Beck und Björk ebenso. Kardinal Ratzinger und die Gehrer-Lisl wahrscheinlich auch: Peaches hören, bis der Schritt schwimmt.    03.10.2003

Offensiverotische Live-Gastspiele und eine dreckige Handvoll Tracks ("Fuck The Pain Away", "Lovertits", "Set It Off") zwischen funktionalem Minimalismus auf der musikalischen und eindeutigen Zweideutigkeiten auf der textlichen Ebene genügten Merrill Nisker, um in den vergangenen zwei Jahren zu dem heißen Namen zu werden, den sich im Zuge von Selbstläufertum bald zuviel der falschen Leute im Zuge von Mitläufertum mit Ausrufezeichen zuschrien. (Was für ein erster Satz!)

Prompt fühlte man sich an diverses Getöse erinnert, vom "Sexy Motherfucker" Prince und Madonna in ihrer "Sex"/"Erotica"-Phase bis zur dunklen, weit weniger massentauglichen Anrüchigkeit einer Lydia Lunch. "The Teaches of Peaches" war sowohl live als auch auf Konserve Tabubruch revisited, mit pikanten Posen, exaltiert vorgelebter Sexualität und einer heißblütigen Überreizung des Spiels mit Körperteilen und -flüssigkeiten.

Der Auseinandersetzung mit tradierten Symbolen, Klischees und Tabus hat die kanadischstämmige Wahlberlinerin auch auf "Fatherfucker" nicht abgeschworen. Von der amüsant-verstörenden Kombination aus Albumtitel und Cover-Artwork über griffig formulierte Sloganizer-Songtitel wie "Shake Yer Dix" oder "Stuff Me Up" bis zum obligaten Strap-on-Dildo-Einsatz im Video zu "Rock´n´Roll" streut Peaches erneut wie selbstverständlich jene delikate Mischdosis aus Habitus und laszivem Augenzwinkern ein, die sich gecastete Second-Hand-Gören erst mühselig antrainieren müssen.

Wobei die Produktion im Vergleich zu den "Teaches" zwar noch immer im Lo-Fi-Mode, dabei aber weit weniger trashig, denn vielmehr funky vor sich hinknattert. Dirty Handclaps, Punk- und Metal-Gitarrenriffs, Sägezahn-Acidgeschrubber und Beatbox-Bausteine: Kein Mittel ist diesem Electropunk verboten, so lang es am spartanischsten und direktesten Weg aus den Boxen quillt. Überragend sind dabei "Kick It", das Duett mit dem dürrsten Saubartel of Rawk´n´Roll, Iggy Pop himself, sowie das erwähnte "Shake Yer Dix", das den Cyber-R´n´B-Minimalismus einer Missy Elliott mit explizitem Inhalt vermählt.

Christoph Prenner

Peaches - Fatherfucker

ØØØØ


Kitty-Yo/Musica (Kanada/D 2003)

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