Soulwax - Any Minute Now
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PIAS/edel (Belgien 2004)
Back to the roots: Nach Glanz und Glorie als Impresarios des Bastard-Pop sind die fliegenden Dewaele-Brüder mit ihrer Haupt-Band und raffiniertem Electro-Rock-Entwurf wieder da. 31.08.2004
Irgendwann kriegen sie dich. Alle. Ausnahmslos alle. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, wie. Ob sie dir überschwenglich ins Auge springen oder sich hinterrücks anschleichen, sich sacht einschmeicheln oder dich extrovertiert anspringen, in abgenützter Lederjacke oder Comme-des-Garcons-Smoking oder oben ohne. Weil sie können. Weil sie nicht anders können, diese 13 Schönheiten, die sich auf "Any Minute Now" aneinanderreihen - unterschiedlich wie sie sind, einzigartig wie sie sind, überwältigend wie sie sind.
Doch nicht so schnell ...
Rewind to 1999: Im prämillennialen Differenzierungswirrwarr scheint sich der gute alte Rock wieder einmal inmitten einer an den Aufmerksamkeitsrand gedrängten Schmuddelexistenz wiederzufinden. Kein Garagenrock-Hype, keine neuen Rock-Retter, keine schick zusammengewürfelten Artschool-Abrechner weit und breit. Und keine Bands, die sich vorsätzlich einen bestimmten Artikel vorne an den Namen hängen. Mittendrin erscheint da plötzlich ein Album, das mit brennender Euphorie und unerschöpflichem Ideenreichtum in das Vakuum hineinbricht und einen unauslöschlichen Eindruck hinterläßt bei den leider viel zu wenigen Menschen, die es hören, haben, lieben: "Much Against Everyone´s Advice", die zweite Platte der Belgier von Soulwax. Doch der Durchbruch mag in großem Ausmaß nicht so recht zustandekommen - nicht zuletzt auch, weil sich die Soulwax-Masterminds, die Brüder Stephen und David Dewaele, aus ihren furiosen und respektlosen After-Show-DJ-Sets (Motto: "Hang All the DJ´s") bald eine zweite, weit einträglichere Einnahmequelle schaffen.
Als 2 Many DJ´s erhöhen sie Bastard-Pop vom Randphänomen zum global durchschlagenden Publikumsrenner, ihre Mix-CD "As Heard On Radio Soulwax Pt. 2" ist mit 300.000 verkauften Einheiten die bis dato bei weitem erfolreichste MashUp-Mixscheibe aller Zeiten. Und wie das so ist, wenn die Zweitkarriere über die Maßen einschlägt - das Hauptprojekt liegt fürs erste auf Eis. Die Dewaele-Brüder jetten quer über den Globus, bespielen New York, Rio und Tokio, remixen Kylie und DJ Shadow, hinterlassen Spuren, knüpfen Kontakte, nehmen Eindrücke auf.
FF to 2004: Im Frühsommer zirkuliert wie aus dem Nichts plötzlich eine neue Soulwax-Single, ein funkenschlagender Dancefloor-Track, der Gitarrenrock gegen semispröden Electro-Pop mit Riot-Grrrrl-Stimme (jene von Nancy Wang vom LCD Soundsystem) austauscht. Die Überraschung/Empörung: groß. Deren Name: "NY Excuse", ebenso vertreten auf "Any Minute Now", dem neuen, dritten Longplayer.
Und der führt eine Band in absoluter Bestform vor, eine Band, die sich weniger denn je irgendeiner Kategorisierung fügen möchte, die der neu hinzugekommenen Clubgänger-Anhängerschaft krachlederne Garagenrockhiebe ans Tanzbein schnalzt ("KracK"), Die-Hard-Fans mit Stampf-Beats und New-Wave-Reminszenzen verwirrt ("Please ... Don´t Be Yourself"), die eben einmal eine Nummer abliefert, die beweist, daß man das Vorgängerwerk in Sachen eingängiger Gitarrenrock jederzeit gleichwertig doppeln könnte (Titel-Track) oder all das zugleich und unter großen Gesten zur potentiellen Single des Jahres verdichten ("Slowdance"). Wie überhaupt Tracks wie "Compute" oder "Accidents and Compliments" großes, ganz großes Pop-Verständnis offenbaren, wie aus einem Guß Momente des Widerspruchs und der Reibung vereinen zu solch erhabener Synthese. Und auch wenn sich diese Momente auch oft erst nach mehrmaligem Hördurchlauf offenbaren - irgendwann kriegen sie dich alle. Ausnahmslos.
Soulwax - Any Minute Now
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PIAS/edel (Belgien 2004)
Im finalen Teil der EVOLVER-Festival-Berichterstattung müssen sowohl Woody Harrelson als auch Mads Mikkelsen mit einem ihnen feindlich gesinnten Umfeld fertig werden - freilich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Hereinspaziert in "Rampart" und "Jagten".
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Bleibende Eindrücke der ersten Viennale-Tage: Die akribische Doku "Room 237" zerlegt "The Shining" in alle Einzelbilder, die große Matthew-McConaughey-Schau "Killer Joe" dafür Hendln in mundgerechte Portionen.
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Daß das /slashfilmfestival im Wiener Filmcasino eine gar nicht genug zu lobende Bereicherung der heimischen Kinolandschaft darstellt, hat sich längst herumgesprochen. Der EVOLVER stellt ausgewählte Glanzlichter des dritten Durchgangs vor.
Das dritte und letzte Kapitel unserer Viennale-Berichterstattung steht im Zeichen der Unruhe vor dem Sturm - und damit der beeindruckendsten Arbeit des Festivals: "Take Shelter".
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