TV On The Radio - Desperate Youth, Blood Thirsty Babes
ØØØØ 1/2
Touch & Go/4AD/edel (USA 2004)
Zwischen allen Stilen, zwischen allen Stühlen: Das Trio aus New York könnte richtig groß werden - auch ohne Hype ... 05.07.2004
Besonders sensible Zeitgenossen mochten um TV On The Radio schon einen Hype ausgemacht haben, bevor dieser hierzulande auch nur annähernd abzusehen war. Zu hoch schlugen Sänger Tunde Adebimpe, Gitarrist Kyp Malone und Producer David Andrew Sitek (der u. a. auch schon für die Yeah Yeah Yeahs tätig war) nach ihrem Einstand, der 4-Track-EP "Young Liars", Ende 2003 auf der anderen Seite des Atlantiks die Wellen der Begeisterung und Lobpreisung entgegen, als daß sie nicht auch hierzulande noch lautstark zu vernehmen gewesen wären. Was aber noch entscheidender war: Sie waren ganz einfach zu überzeugend und extraordinär, diese vier darauf versammelten Songs, "Young Liars", "Satellite", "Blind" und - die Übernummer schlechthin - "Staring at the Sun".
Besagter Song, und hier schließt sich der Kreis, ist auch auf "Desperate Youth, Blood Thirsty Babes" vertreten, dem mit einigen Monaten Verspätung, aber gottlob doch noch in Europa (via 4AD) releasten Debütalbum. Der Hype blieb erwartungsgemäß bis dato aus. Das mag zum einen daran liegen, daß der TVOTR-Sound nicht nur um die berühmte Spur, sondern ganz gehörig zu sperrig und eigenwillig ist, um einen umspannenden Konsens zu erzielen, wie er etwa den Nachbarbuben von The Strokes passierte. Denn abgesehen von "Staring at the Sun" oder "Dreams", den beiden entfernt an die Großtaten der New Yorker Kollegen von Interpol oder The Rapture gemahnenden Hymnen, ist auf "Desperate Youth..." wenig bis gar nichts Radiokompatibles zu finden.
"They´re five years ahead of their time", merkte dazu ein amerikanischer Kritiker an - und beschreibt damit ganz gut die Grundstimmung, die dieses Album verströmt: komplex, düster, konsequent schwer zu fassen, verstörend und zugleich einschmeichelnd, dabei innovativ wie nur was und eben nicht um eine kurzlebige Ansammlung von Hits für die Indie-Jugend bemüht.
Dem New Yorker Trio geht es eben um Visionen und nicht um schnödes Crowd-Pleasing. Da kann es dann schon passieren, daß sich Improv-Jazz an wummernden Baßläufen ("The Wrong Way") reibt oder Breakbeats sich an konzisen Gitarrenriffs und mehr- bzw. kopfstimmigem Tohuwabohu ("King Eternal", "Poppy") wundklopfen. Oder daß ganz einfach einmal eine mehr als bemerkenswerte A-cappella-Nummer in die Albummitte gepflanzt wird ("Ambulance"). Aus Post-Punk-Spuren, Kunstanspruch, Prog-Rock (aber in sexy!), Doo Wop, Soul und generell dem Erbe von Jahrhunderten schwarzer Musik schaffen TV On The Radio ihre im wahrsten Sinne unerhörte Musik. Die wird man zwar so ganz wohl nie verstehen, doch die Reise dorthin wird man garantiert auch nie unterbrechen wollen.
Für die Musikfaschisten dieser Welt muß so eine Band die Hölle sein. Alle anderen, so sie sich nicht von der Paranoia eines imaginierten Hypes verjagen lassen, könnten hier eine wahrhafte Perle finden.
TV On The Radio - Desperate Youth, Blood Thirsty Babes
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Touch & Go/4AD/edel (USA 2004)
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