Musik_Tarentel - The Order of Things

Slow Motion Kill

Wir wollen auf rosa Wolken dahintreiben, uns wohlfühlen und die Abgründe des Stromgitarren-Unwesens vergessen! Wir fahren nach San Francisco und starren mit dieser Band aufs Meer.    30.09.2002

Die Electronica-Ära der späten Neunziger und die neue Introvertiertheit haben die Lauscher ehemaliger Rock-Compadres ordentlich geöffnet. Nicht nur rhythmische Klein-Orchester wie Tortoise entrückten sich der gewöhnlichen Song-Struktur. Eine ganze Karnickelschar der "New Instrumentalists" beschnurrt einem die Couch mit weitläufigem, sphärischen Drone-Pop, akustisch angeklampften Ambient, fernweher Soundtrack-Tristesse. Brian Eno rocks in seliger Geräuschhomöopathie? Not really, Buster! Was Kleingenies wie Labradford, Calla und jetzt eben Tarentel verbrechen, ist die hochklassige Kombination moderner Komposition eines Steve Reich oder Arvö Part mit dem guten Gewissen knurriger Erzählmusik eines wortlosen Nick Cave, dessen düstere Gestalten sich auch ganz ohne Sprachmalerei erheben. Bei diesem Frisco-Quintett allerdings bleibt die Isolationssucht in der Flasche. Stattdessen ergießt man sich in wärmende Breitwandmelancholie, die die kleinlaut schnurrenden Gitarrenwälder, die bewölkten, unpeinlichen Streicher mit einem zarten Guß an Bläsersätzen vergolden. Das hat was vom schwülen Sixties-New-Jazz eines Don Ellis, nur in endlose Zeitlupe voller Schönheit zerdehnt. Umarm diese Platte, mein Freund, wie dein Leben. Schnapp alles, was diese Jungs sonst zu bieten haben (auch auf den Labels Resonance, Temporary Residence und Staalplaat). Die Weite wird dein ewiger Freund sein.

Paul Poet

Tarentel - The Order of Things

ØØØØØ


(USA 2001)

Neurot Recordings/Trost

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