Print_Dan Brown - Diabolus

Verzögerter Bestseller

Mittlerweile fast zehn Jahre alt, aber gerade erst erschienen und stürmt schon die Bestellerlisten: Dan "Sakrileg" Browns Debütroman.    10.03.2005

Ein Buch, das wir in einer einzigen Nacht lesen, kann nicht schlecht sein - im Gegenteil. Dagegen spricht alleine schon, daß der Kippschalter der Lampe zu einfach zu erreichen ist.

Dabei hätten wir Dan Browns neues Buch mit dem deutschen Titel "Diabolus" schon längst lesen können; und zwar seit fast zehn Jahren! "Digital Fortress", so der englische Originaltitel von "Diabolus", erschien in Amerika nämlich bereits 1996 und stürmte sofort die Bestsellerliste. Allerdings in einer etwas aussergewöhnlichen Kategorie - als E-Book. Weil sich für "Digital Fortress" (Digitale Festung) kein Verleger gefunden hatte, beschloß der Englischlehrer Dan Brown sich das damals neue und für ihn günstige Medium des E-Books zu Nutze zu machen. Erst zwei Jahre später, 1998, erschien im amerikanischen Verlag St. Martin´s Press eine Taschenbuchausgabe des Titels.

Vor ein paar Wochen hat der Lübbe Verlag die deutsche Ausgabe von "Digital Fortress" als Hardcover Ausgabe unter dem Titel "Diabolus" auf den Markt gebracht. Nun sind zehn Jahre eine lange Zeit, besonders wenn es um "digitale Festungen", sprich Firewalls für Datenbanken, Virenangriffe auf Computer, Codes, das Web, Kryptographie, Sicherheit, die NSA usw. usf. geht. Doch diese Hürden nimmt das Buch, von ein zwei Kleinigkeiten einmal abgesehen, ganz mühelos. Auch die anderen Hürden auf dem Weg zu den Spitzen der Bestsellerlisten, dürften für "Diabolus" kein Problem sein: Bei den Online-Anbietern Amazon und Libri steht der Roman bereits auf Platz zwei, bei buch.de schon auf Platz eins und die schnelle Tendenz des Webs schlägt sich, aller Erfahrung nach, mit etwas Verzögerung auch im "richtigen Leben" nieder.

 

Was für ein goldenes Händchen der Verleger Stefan Lübbe da mit Dan Brown bewiesen hat, läßt sich mit einen Blick auf die aktuellen Bestsellerlisten ablesen. Seit 100 Wochen stehen die Titel "Angels and Demons" ("Illuminati") und "The Da Vinci Code" ("Sakrileg") bereits auf der US-Today-Liste, die nicht zwischen Hardcover und Taschenbuch unterscheidet. Seit 99 Wochen beherrscht "The Da Vinci Code" die Hardcover-Fiction-Liste der New York Times, aktuell auf Platz zwei - und sogar "Spiegel" und "Focus" sind sich mal einig, wenigstens was das "Sakrileg" betrifft: Platz eins in beiden Magazinen und seit exakt einem Jahr auf beiden Listen vertreten! Von den Taschenbüchern, der Gong-Liste, mal ganz zu schweigen, auf der Illuminati seit 105 Wochen dabei ist. Offenbar hat auch der deutsche Erfolg der Hardcover-Brown-Ausgaben dazu geführt, daß sich St. Martin´s Press nachträglich zu einem Hardcover von "Digital Fortress" entschlossen hat - immerhin seit letztem Dezember lieferbar. Und um das Ganze noch zu toppen, legen die Amerikaner schon nach: Mit der illustrierten Ausgabe vom "The Da Vinci Code", bereits auf Platz 40 der US-Today-Liste und, für den Mai angekündigt, die illustrierten "Angels and Demons". (Alle Brown-Titel im Original liefert übrigens Petersen Buchimport.)

 

Bleibt die Frage: Ist "Diabolus" ein gutes Buch? Beantworten wir sie so: Wann haben wir uns denn, für ein Buch, das letzte Mal eine ganze Nacht um die Ohren geschlagen? Wenn das nicht Antwort genug ist, bleibt uns auch nichts mehr zu sagen.

Stefan Becht

Dan Brown - Diabolus

ØØØØ 1/2

(Digital Fortress)


Lübbe (D 2005)

 

Photo © Philip Scalia

 

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