Print_Charlie Huston: Das Clean-Team

Der Reinigungsmann

In Los Angeles gibt es eigene Firmen, die darauf spezialisiert sind, Tatorte zu säubern. Ein dreckiger Job - und eine dankbare Vorlage für Charlie Hustons neuesten Thriller. Marcel Feige hat ihn gelesen ...    01.03.2010

Webster Fillmore Goodhue, genannt Web, ist eine faule Sau. Am liebsten lungert er im Tattoo-Laden seines besten Freundes Chev herum und liest Horrorcomics, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, die Kunden mit seiner miesen Laune zu vergraulen. Bis Chev eines Tages der Kragen platzt und er ihm einen Job verschafft: ausgerechnet bei "Clean Team", einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat, Verbrechensschauplätze von Blut, Fäkalien und anderen unschönen Dingen zu säubern.

Web hätte allerdings selbst Einiges zu bereinigen, etwa, was seine Vergangenheit betrifft. Sein Vater ist ein versoffener Schriftsteller, den der Weltschmerz plagt, seit er sich von Chevs Mutter Einen blasen ließ: sie befanden sich dabei nämlich im Auto, und das Resultat endete mit einem Verkehrsunfall, bei dem besagte Dame und Chevs Vater ums Leben kamen - soweit, so kompliziert (Webs Mutter suchte daraufhin das Weite und wurde in irgendeiner gottverlassenen Einöde Amerikas dauerbekiffte Farmerin). Web zieht es vor, diese Schicksalsschläge nicht näher zu betrachten, sondern geht lieber seiner Umgebung mit Sarkasmus auf die Nerven.

Bis er eines Tages in die Wohnung von Soledad gerufen wird, deren Vater sich gerade den Schädel weggeschossen hat. Die junge Frau bräuchte dringend Hilfe - nicht nur in Sachen Putzen. Web scheint dafür denkbar ungeeignet, selbst wenn es ihm gelingen sollte, endlich die Geister der Vergangenheit zu vertreiben. Bei seinen Bemühungen, Soledad zu helfen, gerät er prompt nicht nur zwischen die Fronten der einander bekriegenden Tatortreiniger in L.A., sondern kommt auch noch einem skrupellosen Schmugglerring für Mandeln auf die Spur. Ja, richtig gelesen: Für einen Haufen minderbemittelter Ganoven sind ausgerechnet Mandeln die heiße Ware der Zukunft.

Zugegeben, der Plot ist im Grunde simpel, außerdem wurde er schon hunderte Male abgehandelt: Verzweifelter junger Mann muß über sich selbst hinauswachsen. Doch mit den typischen, unnachahmlichen Figuren und seiner eigenwillig knappen Erzählweise ist Charlie Huston wieder ein abwechslungsreicher und amüsanter Thriller gelungen.

Außerdem soll, wie man hört, "Das Clean-Team" der Auftakt zu einer neuen Trilogie sein ...

Marcel Feige

Charlie Huston: Das Clean-Team

ØØØØ

(The Mystic Arts of Erasing All Signs Of Death)

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Heyne (D 2009)
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Schreiben ohne Landkarte

(Photo © Sabine Braun)


Warum sich der Verfasser der "Prügelknaben"-Trilogie und Joe-Pitt-Erfinder nicht als Hardboiled-, sondern als Pulp-Autor sieht - und worin die Vorteile von Abgabeterminen für das Geschichtenerzählen liegen. Frank Gundermann fühlte dem Amerikaner auf den Zahn.

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Kommentare_

/aw/ - 05.03.2010 : 11.19
DVD-Tipp: "Curdled" von 1996.
doc - 05.03.2010 : 23.38
Ein weiser Mann kennt die Popkultur und weiß, daß wir nicht in einer geschichtslosen Zeit leben. Obwohl: Sowohl "Curdled" als auch der neue Huston waten knöcheltief in Tarantino-Schleim. Wann hört das endlich auf?
\aw\ - 06.03.2010 : 19.01
Na gut, ich wurde also beim Popkultur-Posing erwischt! (Endlich kann ich mich statt "Fremdschämen" mal "Selbstschämen".)

Indes kommt "Curdled" ja weitgehend tarantinofrei daher, das bisschen Producer stört kaum, daher ist mir der kleine Streifen, auch wenn die ursprüngliche Kurzfilmidee wahrlich nur schleppend die langen 88 Minuten füllt und ich außerdem prinzipiell jeden Baldwin Auftritt zum Spucken finde, als sympathisches Movie in Erinnerung geblieben.

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