Neil Gaiman - American Gods
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Heyne-Verlag (München 2003)
Der Autor der berühmten "Sandman"-Comic-Serie legt mit der Geschichte über den Konflikt zwischen alten europäischen und modernen US-Konsumgöttern seinen bisher besten Roman vor. 12.01.2004
Dieses Buch ist eine einzige "Misdirection", eine Ablenkung, wie sie zum Beispiel bei dem "Zaubertrick" mit der Münze gebräuchlich ist. Während wir denken, auf die Hand zu schauen, in der die Münze verborgen ist, ist es genau die, die uns von der ablenkt, in der die Münze in Wirklichkeit steckt. Oder umgekehrt - wir wissen es eben nie ganz genau. Während wir noch denken, der Autor schickt uns nach rechts, stehen wir als Leser schon längst links, und die Handlung ist geradeaus weitergegangen. Oha, haben wir da gerade nicht aufgepaßt?
Irgendwann, ungefähr in der Mitte des Buches, erzählt Wednesday, die vermeintliche Hauptfigur (oder etwa nicht?), Shadow, der eigentlichen Hauptfigur (sicher - oder?) seinen Lieblingsbetrug - das Bischofsspiel. Ein Bischof im purpurnen Ornat betritt einen Juwelierladen, sucht sich eine teure Diamantkette aus und bezahlt bar. Die Dollarscheine haben einige grüne Kleckse zuviel, und der Juwelier läßt das Geld von der Bank an der Ecke auf Echtheit prüfen. Es ist echt. Kaum ist der Bischof auf der Straße, wird er aber von einem Streifenpolizisten am Schlafittchen zurück in den Laden befördert. Ja, sagt der Juwelier auf die Frage des Polizisten, ob dieser bekannt-berüchtigte Ganove bei ihm hier gerade eine Halskette gekauft und in bar bezahlt hätte. Der Polizist entlarvt die Dollarscheine als perfekte Fälschung, beschlagnahmt und quittiert das Geld samt Diamantkette als Beweismittel und verläßt mit dem angeblich Verhafteten den Laden - auf Nimmerwiedersehen. Natürlich stecken die beiden unter einer Decke.
"Da", sagt Wednesday, "war alles drin: Spannung, Täuschung, Beweglichkeit und Überraschung." Genau wie in "American Gods", dem genialen und bisher besten Buch des englischen Autors Neil Gaiman. Es ist ein einziges Spiel mit unseren Sinnen, unserer Wahrnehmung, eine Camouflage der ersten Güteklasse, die so brillant und beweglich erzählt wird, daß natürlich eine Überraschung gar nicht ausreicht für die vielen Täuschungen, die da jongliert werden. Und wenn es ganz kribblig wird, helfen eben die Götter aus - immerhin stehen sie ja schon im Titel.
Ganz verleugnen kann der Engländer Gaiman, der mit seiner Familie seit einigen Jahren in den USA lebt und besonders mit seiner Comicserie "Sandman" bekannt wurde, seine Nähe zu Kultautor Douglas Adams ("Per Anhalter durch die Galaxis") nicht. Die beiden waren schon lange vor dem plötzlichen Tods Adams befreundet, und Gaiman verfaßte die Adams-Biographie "Keine Panik!" Wir dürfen also ruhig sagen: "American Gods" ist unbedingt empfehlenswert für jene, die Douglas Adams und seine Bücher lieben. Für alle anderen ist der Roman ein äußerst seltener, dafür aber purer Lesegenuß. Und worum es so geht, auf den über 600 Seiten, das haben wir ja auch schon genau beschrieben... Oder etwa nicht?
Neil Gaiman - American Gods
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Heyne-Verlag (München 2003)
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