Print_Rex Miller - Im Blutrausch

Von Schwein zu Schwein

Das mit den Profikillern in der Literatur ist so eine Sache: Meist gehen sie emotionell unbeteiligt ihrer Arbeit nach - bis Mord und Totschlag sich auch in ihr Privatleben verirren. Und dann wird´s persönlich. So wie im Roman des einstigen Splatterpunk-Heroen, der hier einmal mehr auf die Suche nach dem Bösen geht.    20.11.2009

Geister, die man ruft, wird man bekanntlich nicht mehr los. Frank Spain ist ein solcher Geist. Killer für die Mafia - einer, der wie ein Geist in Häuser eindringt und tötet. Aber auch Killer haben ein Privatleben. Und Spains Leben geht den Bach runter. Die Frau fickt sich frei und verläßt die Familie. Kein Wunder: Ein Profikiller ist selten zu Hause.

Jetzt sitzt er da und bläst Trübsal. Die Tochter sehnt sich nach Liebe, Konflikte sind vorprogrammiert. Sie brennt mit einem Schulkameraden durch, und schon hängt sie in der Abwärtsspirale des amerikanischen Neon-Alptraums. Sie sinkt tiefer und tiefer. Drogen. Prostitution. Am Ende steht in diesem Land immer die Filmkarriere - auch fürs Töchterchen. Die Kamera verlangt nach dem wahren Leben. Und bekommt es, mit allen tödlichen Konsequenzen. Snuff-Filme sind hier eben keine Legende mehr. Es hat sich ausgeträumt.

Der Killer Spain bleibt zurück. Er engagiert einen Detektiv, folgt den Spuren und beginnt seinen Rachefeldzug. Brutal, grausam, keine Foltermethode auslassend. Der Geist sucht jene heim, die ihn beschworen haben. Ermittler Jack Eichord folgt der blutigen Spur. Aber darum geht es schon gar nicht mehr.

 "Im Blutrausch" ist ein Roman über das Böse. Gutmenschen und Sozialpädagogen glauben ja immer noch an den edlen Wilden. Die sollten mehr Steven Pinker lesen. Oder eben Rex Miller. Der Mensch ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern eher eine Bestie. Und Miller präsentiert uns die Bestie Mensch in Rot. Er kippt eimerweise Blut über unsere Köpfe und läßt alles fahren - auch die Hoffnung, die schlimmste aller Plagen.

Rex Miller (1939-2004), DJ, Sammler und Händler von Kuriositäten, kämpft mit der Sprache, ringt sie nieder, bricht ihr mit seinem Talent die Nase. Beugt sie, erniedrigt sie, foltert sie. Und erinnert in seinen besten Momenten an James Joyce.

"Im Blutrausch" ist ein moderner Hieronymus-Bosch-Entwurf, ein Ritt in die Hölle des menschlichen Daseins. Ein gewagter Roman, der keine Moral vermittelt. Gut so! Das Leben als naturalistischer Begriff ist auch wertfrei, kennt weder Gut noch Böse oder gar eine Moral. Das Leben schreitet voran. Willkommen im Raubtierkäfig.

Hochkulturartisten schweben ja gern über dem Boden, flüstern dem Wind etwas zu und blinzeln in die Sonne. Sie mögen Romane über die inneren Nöte ostfriesischer Leuchtturmpoeten, wenden sich mit Grausen von den Übeltaten der Trivialliteratur ab - und verpassen so die besten Romane des vergangenen Jahrhunderts. Sollten Sie nicht zu diesen engelsgleichen Arschgeigen gehören, sondern sich lieber als Sau der Literatur fühlen, sind sie bei Rex Miller richtig.

Von Schwein zu Schwein: Der Autor dieser Zeilen liebt diesen Roman. Und jetzt suhlen Sie sich in den Schweinereien eines großen Schriftstellers, der noch aus dem Bauch heraus schreiben konnte. Nicht nur aus dem Kopf - den schoß er seinen Protagonisten lieber runter.

Rex Miller ist ein Geist, der uns hoffentlich nicht so schnell verlassen wird. Aber Geister sind ja bekanntlich zäh. 

Guido Rohm

Rex Miller - Im Blutrausch

ØØØØØ

(Frenzy)

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Edition Phantasia (Bellheim 2009)                   

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