Simon Winchester - Ein Riss durch die Welt. Amerika und das Erdbeben von San Francisco 1906
Ø
Simon Winchester - A Crack in the Edge of the World
Knaus (München 2006)
Photo © by Marion Ettlinger
Man kann die Realität so lange leugnen, bis einem die eigene Stadt über dem Kopf zusammenbricht. Ein britischer Autor liefert in seinem Buch eine etwas andere "Plattenkritik".
07.07.2006
"Die erschaffene Welt ist bloß eine Beiläufigkeit im Ewigen."
Mit diesem Zitat von Sir Thomas Brown beginnt Simon Winchester (mit dem Namen könnte der Mann direkt einem "Lassiter"-Western entstiegen sein ...) seine Beschreibung und Deutung der Ereignisse vom 18. April 1906, dem Tag des "großen Erdbebens" in San Francisco.
Jeder der unheilvollen Vorboten - wie Beben entlang der südamerikanischen Küste, darauf folgende Springfluten oder die Verwüstung der Insel Formosa - wurde damals auf jeweils ein singuläres seismisches Phänomen reduziert.
Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis James Lovelock seine "Gaia-Hypothese" veröffentlichte, die unseren Planeten abseits aller romantisierenden Pantheismen als lebendiges Wesen darstellt, das über eine zusammenhängende und ineinander übergreifende Ökologie verfügt. Eine Bestätigung erfuhr diese Idee letztendlich durch den Blick Neil Armstrongs auf die Erde als einzigen bisher bekannten lebenswerten Platz unserer Galaxis - die Initialzündung für die "Neue Geologie".
Behutsam und beinahe vorsichtig bereitet Winchester, ein erklärter Gaia-Anhänger, in seinem Buch die Tragödie vom 18. April vor, skizziert in einen eleganten Bogen die Geschichte San Franciscos von der spanischen Missionsstation über den Goldrausch 1848 bis zur Ausrufung des "Golden State" 1968 - und bettet in diesen Überblick wie eine unbarmherzige Zäsur das große Beben, das die Stadt in den frühen Morgenstunden heimsuchte, Tausende ihrer Bewohner das Leben kostete und einen Großteil der Gebäude dem Erdboden gleichmachte.
Das Aufeinanderprallen der nordamerikanischen und der pazifischen Platten erschütterte nicht nur die Stadt selbst bis ins Mark, sondern brach in gewissem Sinn auch das moralische Rückgrat der Menschen. Nur so läßt sich erklären, daß die Stadtväter diese Katastrophe benutzen wollten, um das ungeliebte "Chinatown" auf administrativem Wege zu entsorgen, was nach einer Intervention des chinesischen Kaiserhofs unterblieb.
Immobilienmakler setzten schließlich durch, daß in den Medien nicht mehr vom "großen Beben", sondern nur mehr vom "großen Feuer von San Francisco" geschrieben werden durfte.
Es sollte bis in die 50er Jahre dauern, bis die geologische Besonderheit der Region - auch als "San-Andreas-Verwerfung" bekannt - mit dem Aufkommen der Beatnik- Literaten ihr gesellschaftliches Äquivalent fand und San Francisco sozusagen erneut zum Leben erwachte.
Für Simon Winchester, ansonsten ein mit Preisen verwöhnter britischer Journalist und Sachbuchautor, dessen Buch "Krakatau" durch den Tsunami 2004 zu tragischer Aktualität gelangte, ist
und bleibt das Erdbeben 1906 eine Warnung, daß der Planet Erde die Option Leben jederzeit zurückzunehmen imstande ist, wenn seine Bewohner, die für sich in Anspruch nehmen, vernunftbegabt zu sein, es nicht schaffen, über den eigenen Plattenrand hinauszusehen.
Das nächste absehbare katastrophale Beben - "the big one" - ist schließlich immer noch ausständig ...
Simon Winchester - Ein Riss durch die Welt. Amerika und das Erdbeben von San Francisco 1906
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