Print_Vivien Bronner - Schreiben fürs Fernsehen

Für eine bessere Fernsehwelt

Statt altbekannter Tips für potentielle Blockbuster bietet die Autorin Einblick in die TV-Branche und einen Leitfaden für das Schreiben qualitativ hochwertiger Drehbücher.    04.02.2004

Wenn Sie davon träumen, mit einem einzigen Erfolgsdrehbuch ihr Leben zu finanzieren - na dann, viel Glück! Sollten Sie allerdings ernsthaft in Erwägung ziehen, sich mit dem Schreiben von Scripts auf dem deutschsprachigen Markt Ihren Lebensunterhalt zu verdienen, so stellt Vivien Bronners "Schreiben fürs Fernsehen" eine unschätzbare Informationsquelle dar. Neben prägnanten Zusammenfassungen altbekannter "Erfahrungswerte" für das Geschichtenerzählen im allgemeinen - egal ob für Kino oder TV - findet man in dem Buch speziell auf die Fernsehlandschaft zugeschnittene Hilfestellungen. Denn der deutsche Markt ist bekanntlich nicht mit Hollywood & Co. zu vergleichen, und die meisten Produktionen werden fürs Wohnzimmer und nicht für die große Leinwand realisiert.

Keine Angst, hier wird nicht erklärt, wie man am besten einen "GZSZ"-Klon oder ein Pendant zu "Alarm für Cobra 11" erschafft! Vielmehr geht es Bronner unter anderem darum, zu vermitteln, daß erzählerische Qualität auch im Fernsehen stattfinden muß, egal ob bei TV-Filmen oder -Serien. Im deutschsprachigen Raum ist dies mit Sicherheit noch ein weitgehend utopischer Gedanke, da die Unterschiede zwischen beispielsweise "Emergency Room" und "Klinikum Berlin Mitte" sogar einer Topfpflanze im Delirium auffallen.

Aber der Reihe nach: Nach einer kurzen Einführung in die Welt der Fernsehformate und der generellen Definition des Begriffs "Drama" in Hinblick auf das Medium setzt es auf knapp 64 Seiten die wichtigsten Tips und Ratschläge in Sachen Strukturen, Kreation dreidimensionaler Charaktere sowie Thema und Konfliktebenen - zwei der handwerklichen Merkmale, anhand derer Abstinenz man halbseidenes Gewäsch von einem guten Drehbuch unterscheiden kann, und zwar fernab des Plots.

Im nächsten Großkapitel sind wir dann auch schon bei dem Punkt angelangt, der "Schreiben fürs Fernsehen" von ähnlichen Publikationen abhebt und bisher beinahe unbeschriebenes Terrain sondiert: die Welt der TV-Serie. Hier gelten ganz andere Regeln als beim Spielfilm. Was eventuell den Stoff für einen erstklassigen Neunzigminüter oder eine Serienfolge darstellt, reicht noch lange nicht aus, um eine oder im Glücksfall mehrere Staffeln mit Leben zu erfüllen. Punkte wie serieller Konflikt, Stilisierung und Charakterkonstellationen werden an dieser Stelle genauso durchleuchtet wie Serienformat, Inhalt oder der formale Aufbau eines Serienkonzepts.

Den Abschluß bilden die Kapitel über die Kunst oder das Handwerk des visuellen Schreibens, Eigenheiten des Filmdialogs und die oftmals vernachlässigte Recherche sowie der amüsante Punkt "Fragen, die Sie nie stellen sollten". Dabei versucht die Autorin nie Dogmen aufzustellen, sondern extrem komprimiertes (wenn auch teilweise bereits anderswo gehörtes) Wissen und das gekonnte Stellen der richtigen Fragen zu vermitteln. Exakt auf den Punkt gebracht, abgefaßt in einem flüssigen Stil und versetzt mit einem gesundem Quentchen Humor, dient das Werk ebenso als "Lektüre nebenbei" für interessierte Leser wie auch als konsequenter Arbeitsbehelf für angehende Autoren. Sollte einer der Letzteren trotzdem der Meinung sein, daß es sich bei "Schreiben fürs Fernsehen" nur um "Syd Field, die hundertzwölfte" oder althergebrachte und verstaubte Reglementierungen handelt, die das "kreative Genie" an seiner Entfaltung hindern, dann ist er entweder das eine Talent unter Millionen oder ein Ignorant.

Kurzum: Vivien Bronners Buch bietet dem Neueinsteiger die wichtigsten "Dos & Don´ts" und erläutert diese anhand simpler praktischer Beispiele oder Verweise auf bekannte Musterexemplare aus Kino und TV, während es alten Hasen wahrscheinlich Vergessenes wieder in Erinnerung ruft. Unbedingt lesen!

 

Jürgen Fichtinger

Vivien Bronner - Schreiben fürs Fernsehen

ØØØØØ

Drehbuch-Dramaturgie für TV-Film und TV-Serie


Autorenhaus-Verlag (Berlin 2004)

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