Client - City
Toast Hawaii/Mute/EMI (GB 2004)
Stewardessen are go! Nicht nur, weil sie mit kryptischen Decknamen und in Retro-Uniformen herumlaufen, spricht man über die Engländerinnen. Christoph Prenner hat sie interviewt. 13.12.2004
Es ist zum Aus-der-Haut-fahren. Aus einem eigentlich schon abgeschlossenen Interview entspinnt sich unerwartet eine äußerst informelle Gesprächssituation, in der sich die beiden Gesprächsgegenüber, Client A (die Brünette, mit bürgerlichem Namen Kate Holmes) und Client B (die Blonde, mit bürgerlichem Namen Sarah Blackwood), zusammen Client, zu allerhand hochinteressanten Statements hinreißen lassen. Woraufhin sich der Schreiber dieser Zeilen die Entscheidung abringen muß, ob er denn nicht eventuell doch noch einmal das Aufnahmegerät einschalten sollte - es aber dann doch, aus Gründen der Diskretion und des Gesprächsflusses, bleibenläßt.
Spät ist es geworden, hier im Backstage-Bereich des Kremser Lokals Avalon Exil. Und da sitzen sie dann, die beiden durchaus schon angeheiterten Plauschpartnerinnen, in ihren maßgeschneiderten Uniformen - heute einmal nicht im zur Trademark gewordenen Stewardessen-, sondern im Sixties-Sekretärinnen-Look - und gewähren (nach einem gewohnt makellosen Gig) bereitwillig Auskunft über allerlei Inoffizielles und dazu jede Menge Einblicke in brandheißen Gossip aus dem Showbiz (wie man sagt).
"Rock and Roll is all I wanna do"
Client sind viel herumgekommen in den vergangenen beiden Jahren, haben Kontakte geknüpft, manchmal auch zu besonders einflußreichen Leuten. Wenn Client A also aus dem Nähkästchen über das bevorstehende definitive Ende der Libertines berichtet (und das, obwohl Band-Sorgenkind Pete Doherty von Crack runter und nur noch auf Smack sein soll), dann weiß sie auch, wovon sie spricht. Schließlich ist ihr Mann kein Geringerer als Alan McGee, seines Zeichens Oasis-Erfinder und derzeitiger Libertines-Manager.
Endgültig erholt haben dürfte sich ihrer Aussage nach wiederum Depeche-Mode-Frontman Dave Gahan. Client wissen das, weil sie das erste Signing auf Toast Hawaii, dem Label von DM-Mitglied Andrew Fletcher, waren.
Client: Wir haben Dave nur einmal getroffen. Aber öfter wäre auch nicht gut für ihn. Wir hätten ganz sicher einen schlechten Einfluß auf ihn. (Client A schmunzelt und nippt verstohlen an ihrem Glas Weißwein.)
"It´s you and me/monogamy/just you and me/pornography"
Natürlich könnte man all diese Geschichten als Theaterdonner abtun, als offenkundiges Kokettieren mit einer Pose. Und würde damit doch verkennen, daß Client einen der ureigensten Grundsätze des Pop perfekt bedienen: das Spiel mit Verheißungen. Sie bringen der elektronischen Popmusik ganz einfach all das zurück, was sie lange missen mußte: Stil, Glamour und nicht zuletzt eine Spur mystische Verruchtheit. Client spielen mit Versatzstücken eines Larger-than-life-Gestus, der im Rückgriff auf ihren retrofuturistischen Look eine ästhetische Spiegelung erhält. Wer dabei jetzt an eine so hochkonzeptionelle wie freudlose Version von Synthie-Pop denkt, könnte falscher gar nicht liegen. Letztendlich kommt bei Client doch immer wieder der hauseigene Hang zum hedonistischen Lifestyle ins Treffen. "Rock and Roll is all I wanna do", hieß es dazu so passend auf einem Track ihres ersten Albums. Keine Frage also, daß es dabei auch durchaus etwas anstößiger und dreckiger zugehen darf.
EVOLVER: Findet ihr, daß es der Popmusik gegenwärtig an "echter" sleaziness mangelt?
Client: Ja, ganz sicher. Definitiv. Wenn Kelis beispielsweise etwas von ihrem "Milkshake" stöhnt und dazu lasziv im Video herumwackelt, dann ist das genau die Sorte künstlich hergestellte Dreckigkeit, die wir für uns nicht wollen. Weil sie ganz allein einem Marketing-Konzept folgt. Ich meine: Britney, come on ... Dasselbe mit Christina - alles kleine Zuckerpüppchen, die nur an diversen Schnüren hängen und gesteuert werden.
EVOLVER: Und Kylie?
Client: Das ist doch genauso, auch nur eine Puppe. Ich meine, das ist doch ziemlich langweilig. Wir wissen ganz einfach alles über sie. Wo bleibt denn da das Geheimnisvolle?
Man kann Client alles mögliche nachsagen - nur eines nicht: daß sie nicht geheimnisvoll wären. Und ferngesteuerte Pop-Sternchen sind sie garantiert auch nicht. "City", ihr dieser Tage erschienenes zweites Album, wurde von den beiden - wie auch schon ihr letztjähriges Debüt - selbstredend so gut wie komplett in Eigenregie komponiert und getextet sowie (mit ein wenig Unterstützung von Sneaker Pimp Joe Wilson) produziert. Geboten bekommt man darauf wieder den charmantesten und sexiesten Electro-Pop, den man derzeit finden kann, der herrlich unterkühlt ist und doch durch und durch vom Geist des Rock´n´Roll durchsetzt. Und der sich ganz wunderbar in ihrem optisch durchstilisierten Äußeren widerspiegelt, ohne daß dies je aufgesetzt oder kalkuliert wirken würde.
Client: Es ging uns darum, die Musik und das Image zusammenzuführen. It´s like a package. Wir könnten nicht Client sein und dabei unsere Kleider nicht mehr tragen.
So einfach ist das manchmal.
Client - City
Toast Hawaii/Mute/EMI (GB 2004)
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Daß das /slashfilmfestival im Wiener Filmcasino eine gar nicht genug zu lobende Bereicherung der heimischen Kinolandschaft darstellt, hat sich längst herumgesprochen. Der EVOLVER stellt ausgewählte Glanzlichter des dritten Durchgangs vor.
Das dritte und letzte Kapitel unserer Viennale-Berichterstattung steht im Zeichen der Unruhe vor dem Sturm - und damit der beeindruckendsten Arbeit des Festivals: "Take Shelter".
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