Stories_Funkstörung
Pop mit Kanten
Es kann nicht oft genug erwähnt werden: Wer innovativen Pop sucht, kommt an den Rosenheimern nicht vorbei. Christoph Prenner interviewte sie kurz vor der Österreich-Tour.
18.05.2004
Der Funk ist gestört, die Verbindung immer wieder unterbrochen. "Disconnected", im wahrsten Sinne. Weil so aber auch das aktuelle, überraschend und überzeugend Song-lastige Album der bajuwarischen Innovationsgaranten Funkstörung heißt, kann man die technischen Pannen im Telefonat mit Michael Fakesch durchaus als höhere Fügung im Sinne des Albumkontexts verstehen.
Beim Hören von "Disconnected" fällt zuerst auf, daß die Platte eine weit deutlichere Schlagseite zum Song hat. Hallt da noch die Kooperation mit Jay-Jay Johanson nach, dessen letztes Album ihr ja produziert habt? Man hörte ja auch, daß ihr damit im nachhinein gar nicht so zufrieden wart.
Michael Fakesch: Nein, nicht so wirklich. Weil die Plattenfirma, die BMG Schweden, danach daran echt noch sehr viel geändert hat, was das Mixing betrifft. Wir hatten da nicht das letzte Wort. Prinzipiell hat´s aber viel Spaß gemacht, mit Jay-Jay zusammenzuarbeiten. Das war eine ganz neue Erfahrung, die uns auch das klassische Songwriting nähergebracht hat. Jay-Jay zeigte uns, wie eine Melodie wirken kann. Wir sind ja schon eher schlechte Melodienschreiber und brauchen da immer recht lang. Zwar kriegen wir schon ganz gute Melodien hin, nur ist das immer eine ziemliche Herausforderung. Weil Beats und Sounds können wir, denk´ ich, mittlerweile ganz gut, das hat uns nicht mehr so gereizt.
Inwiefern kann man da von einer natürlichen Entwicklung sprechen?
Michael Fakesch: Es ist natürlich viel passiert. Man ist älter geworden, erfahrener. Ich bin Vater geworden. Da gehst du mit vielem schon viel relaxter und reifer um. Vor vier Jahren wäre so ein Album überhaupt noch nicht möglich gewesen.
Als klassische Popsongs kann man eure Stücke ja trotzdem immer noch nicht einordnen. Was macht für euch einen guten Song aus?
Michael Fakesch: Hmm. Das kommt ja immer erst danach, daß man sagt: Oh! Das ist jetzt aber schon Pop. Prinzipiell muß mich die Melodie mitreißen, und der Beat muß stimmen, das ist ganz wichtig. Und irgendeine Ecke oder Kante sollte das Stück haben, sei´s durch die Stimme oder durch etwas fiesere Sounds.
Sind Melodien für euch schon auch eine bewußte Abgrenzung zur verkopften Frickelelektronik-Szene?
Michael Fakesch: Ein bißchen schon. Wir denken beim Produzieren aber in erster Linie an uns. Wenn daraus eine Abgrenzung wird, haben wir nix dagegen. Es ist nicht so, daß wir unbedingt was anderes machen müssen, weil die anderen auch diesen Weg gehen.
In welchem Ausmaß repräsentiert "Disconnected" euer derzeitiges musikalisches Spektrum? Seid ihr womöglich mittlerweile schon wieder ganz woanders?
Michael Fakesch: Weiß nicht. Da will ich mich aber auch gar nicht so festlegen. Es ist viel von dem drauf, was uns inspiriert hat, aber nicht alles. Es gibt da noch eine ganze Menge Rock-Scheiße, in die wir uns gern reinknien möchten. Und generell ist noch so viel zu entdecken. Wir sind eben schon etwas satt geworden von purer Elektronik. Chris (de Luca, die andere Funkstörung-Hälfte, Anm. des Verfassers) ist totaler Rockfan geworden. So Sachen wie Radiohead find´ ich halt auch unglaublich geil. Oder so Pop-Kram wie Kylie. Das ist teilweise großartig, wenn auch nicht alles.
Gerade diese Tatsache, daß ihr anscheinend immer von neuem bereit seid, weiter als andere zu gehen, hat euch allgemein den Ruf einer "innovativen" Band eingebracht.
Michael Fakesch: Du probierst eben einfach was Neues, Freshes zu machen. Irgendwie hatten wir immer das Glück, daß das andere auch so empfanden und wollten. Dadurch entstehen dann so Attribute. Wenn jetzt jemand sagen würde, daß wir keine innovative, aber noch tolle Musik machen, fände ich das genau so schön. Schlimmer wäre es, Scheißmusik zu machen, von der alle denken, daß sie innovativ sei.
Habt ihr Angst, daß ihr durch den hohen Anteil von Gaststimmen auf dem neuen Album die sogenannten Fans der ersten Stunde vergraulen könntet?
Michael Fakesch: Irgendwie denken wir, daß wir dieses Album schon so lange vorbereitet haben, durch die ganzen Remixe, durch die Produktion für Jay-Jay. Damit haben wir schon ein Riesenspektrum abgesteckt. Für die Fans, die alle unsere Remixe bereits kannten, ist das sicher kein so großer Sprung. Wir sind einfach nur einen Schritt weitergegangen auf dem schon eingeschlagenen Weg. Die Leute müssen auch verstehen, daß wir diese Frickelelektronik im Moment nicht mehr unbedingt machen wollen. Vielleicht in zwei Jahren wieder. Man kann es eben nicht allen recht machen. Wiederholst du dich, heißt es: Jetzt habt ihr schon wieder dasselbe gemacht. Machst du was Neues, wollen alle wieder das Alte hören. Da darf man auch gar nicht zuviel drüber nachdenken.
Einige der Gastsänger haben durchaus klingende Namen. Um die auf eine Platte zu bekommen, muß man sich ja auch erst mal einen gewissen Status erarbeitet haben.
Michael Fakesch: Wir hatten früher ganz sicher nicht das Geld, um für Sänger zu bezahlen. Für "Disconnected" haben wir aber auch kaum was hinlegen müssen. Da zahlst du eben mit Remixen oder anderen Gefallen. Das jetzt bitte nicht falsch verstehen... (lacht) Obwohl, bei Lou Rhodes (Sängerin von Lamb, Anm. des Verfassers)... Schwieriger war da die Suche nach guten Akustikmusikern. Die waren anfangs wohl ein bißchen skeptisch und trauten uns Bastlern wohl nicht viel zu.
Wie viele Künstler habt ihr persönlich getroffen - oder wurde das meiste über Datenaustausch produziert?
Michael Fakesch: Das meiste über Datenaustausch. Getroffen haben wir viele, die meisten kannten wir schon von früher. Da wir als Perfektionisten oft bis zu acht Stunden täglich an einem Track sitzen, wäre den Leuten sicher ganz schnell langweilig geworden bei uns im Studio. Und es ist für die anderen Musiker auch deswegen angenehmer, das via Datenaustausch zu machen, weil sie sich dann selber auch die Ruhe gönnen können, die sie brauchen.
Bei unserem letzten Treffen hast du erzählt, daß euer Studio wegen der kaum noch vorhandenen Hardware bald wie ein Graphikerstudio aussehen wird.
Michael Fakesch: Ha. Mittlerweile haben wir überhaupt keine Hardware mehr. Als das "Keys" (dt. Musiker-Fachblatt) für eine Photostrecke bei uns war, stand da nur noch ein Synthie rum. Und selbst der war gar nicht angeschlossen (lacht). Sonst arbeiten wir echt nur noch im "virtuellen" Studio, also mit dem Powerbook.
Trotz dieser Flexibilität seid ihr aber immer in eurer Heimat, im beschaulichen Rosenheim geblieben.
Michael Fakesch: Ja, das hat auch viele private Gründe. Unsere Familien leben da... Da wir ohnehin jedes Wochenende unterwegs sind, ist es auch ganz gut, an einen Ort zurückkehren zu können. Ich hatte mal Bock, für ein Jahr nach New York zu gehen. Kurz bevor ich mich dafür entscheiden konnte, ist dann meine Freundin schwanger geworden.
Dieses Interview erschien erstmals in der aktuellen Ausgabe (Mai/Juni) des Musikmagazins "Guru" (http://www.guru.co.at).
Christoph Prenner
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