Stories_Internet-Telefonie

Jajah me, baby!

Im Leben geht´s anscheinend um die Freiheit, mit jedem jederzeit sprechen zu können - und das gratis, bitte sehr. Markus Rumler und Stephan Skrobar haben es versucht.    01.08.2005

Seit der Erfindung des Telefons gilt es als selbstverständlich, für das Fernmeldegespräch zu bezahlen. Die Vorstellung kompletter Gratisanbieter wirkt daher auf viele noch etwas befremdlich.

Doch die neben dem Punkrock wohl gelungenste Erfindung des vergangenen Jahrhunderts, das Internet, bietet neben unnötigen Massen an Informations-Trash nun auch die Möglichkeit, kostenlos mit seinen Freunden, Feinden und sonstigen Bekannten zu telefonieren.

Immer mehr sogenannte VoIP-Anbieter (Voice over IP) tauchen im Netz auf und versprechen der potentiellen Kundschaft, daß ihr Service garantiert kostenlos sei. Damit liegen sie naturgemäß genau auf der frühen Linie der Internet-Kommunikationsphilosophie.

 

Free your voice

 

Seit geraumer Zeit erfreut sich die freie Telefonie relativer Massentauglichkeit. Die Autoren dieses Artikels sahen sich zunächst einmal in der Nähe um und entdeckten ein "new kid on the block" auf dem Markt, nämlich den österreichischen Anbieter Jajah. Was den von der Konkurrenz unterscheidet? Manche Anbieter sagen einfach nur: "Runterladen und gratis telefonieren." Jajah (sprich "dscha dscha" und nicht "ja ja") sieht das eher als kommunikationspolitisches Manifest und fordert: "Free your voice."

Bei näherer Betrachtung ist dies eine sehr menschen- respektive User-freundliche Position, die von Jajah vor allem mit technischem Vorsprung unrtermauert wird. Dank des neuen Dienstes kann man nämlich alle Internet-Telefone kostenlos anrufen und nicht nur solche innerhalb der jeweiligen Community (das ist jene Schnittstellengeschichte, die man nicht wirklich verstehen muß und die sich täglich neuer Definitionen erfreut.)

 

Der Guru im Hintergrund

 

Angeblich basiert das gesamte Software-Konstrukt auf den Ideen und Visionen eines gewissen F. Jajah Watamba, eines Nachfahren des Erfinders des ersten Buschtelefons. (Man lese hierzu die wirklich wilde Geschichte auf der Jajah-Website.) Er selbst sei öffentlichkeitsscheu und agiere niemals im Vordergrund, sondern nutze die Zeit lieber mit der Weiterentwicklung seines Tools und der Visionsfindung. Gesehen hat den aus dem australischen Busch Entsprungenen also niemand - aber so ist das bekanntlich mit sagenumwobenen Legenden. Nicht einmal über Jajah selbst kann man ihn anrufen.

Wenn man den Chef selbst also nicht zu erreichen vermag, fragt man halt in der Pressestelle nach - und siehe da, die sitzt in Wien in der Wohllebengasse (an dieser Stelle hat es die Autoren innerlich aufgefressen, sich billiger Wortspiele zu enthalten ...).

 

Warum das alles?

 

In besagter Pressestelle heißt der Ansprechpartner Roman Scharf, und ehe man es sich versieht, steckt man mitten in einer Grundsatzdiskussion zum Thema freie Kommunikation: "Uns geht es darum, die Kommunikation von den Zwängen der wirtschaftlichen Interessen zu befreien", sagt er und schreibt der herkömmlichen Telefonie lediglich museale Qualitäten zu. In der Internet-Welt verzichte man auf territoriale Ansprüche und hohe Wegzölle, mit denen jene geschröpft werden, die in ferne Netze rufen. Im Internet sind also die Guten unterwegs und bieten dem normalen Mann vom Daten-Highway bestes Service für gar kein Geld.

Ganz so ist das freilich alles nicht. Wer Telefonate ins traditionelle Netz führt, muß weiterhin dafür zahlen - da aber besonders wenig. "Wie das?" wird gefragt. Eigentlich recht einfach: Man nimmt den Schleichweg übers Internet bis kurz vor den Telefonapparat, erst dann biegt man links auf die mautpflichtige Telefonleitung ab. Das Ergebnis: Kosten extrem reduziert.

 

Wie und wieviel vor allem?

 

An dieser Stelle heißt es nicht auf eine Nerd-Schiene für Technik-Junkies abzugleiten*. Vielmehr gilt es, der Vorstellung weltweiter Gratisgespräche unter dem Aspekt der Telefoniergewohnheiten Aufmerksamkeit zu schenken. Denn kaum jemand wird sich, den fetten Desktop oder auch das schlanke Notebook liebevoll in den Arm gelegt, aufs Sofa kuscheln, um dort mit Freund und Freundin stundenlange Telefonate via Computer zu führen. Glaubt man dem Leistungsangebot von Jajah, ist das auch nicht nötig, denn Internet-Telefone machen den Computer letztendlich obsolet, wenn auch nicht die Internet-Leitung.

Und weil im Leben nichts umsonst ist, verdienen die Anbieter mit den kostenpflichtigen Telefonaten zu Mobilfunknetzen oder Festnetzanschlüssen, die nicht an einer Internet-Leitung hängen, ihre Brötchen. Und da wird´s interessant: Eine Minute ins Festnetz kostet nach, sagen wir mal, Neuseeland im Moment rund 2,4 Cent. Bulgarien, von uns rein geographisch nur einen kurzen Schwalbenflug entfernt, kommt aber gleich auf 8 Cent. Hier wird das Regulativ des Marktes, und zwar geographisch vollkommen unabhängig, in den nächsten Jahren sicher greifen, und zwar wahrscheinlich wild um sich.

Wir sind jetzt schon gespannt.

Stephan Skrobar & Markus Rumler

Jajah


* Falls Sie es doch wissen müssen: VoIP-Telefonie basiert auf Peer-to-peer-Technologie. Das heißt, Gespräche werden - verschlüsselt - per Internet übertragen und sind als solche also kostenlos. Die Gespräche gehen nachvollziehbarerweise vom Computer des Anrufers ab. Allerdings haben Anbieter wie eben Jajah schon technologische Möglichkeiten entwickelt, Internet-Leitungen ohne die Notwendigkeit eines Computers zu verwenden. Sogenannte SIP-Telefone (Session Initiation Protocol) machen´s möglich.

 

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