Stories_Viennale 05: Takeshis´

Seppuku mit Einschlafgarantie

Es muß ganz schön hart sein, Japans größtes Filmidol zu sein. Also läßt Takeshi (Ex-"Beat") Kitano in zwei endlos öden Stunden sein Lebenswerk implodieren.    21.10.2005

Man soll ja bekanntlich nicht im ersten Affekt über das Objekt der Kritik urteilen. Weil man es im vorschnellen Furor (oder auch Freudenschwall) der ersten Enttäuschung (vielleicht aber auch Begeisterung) zu leicht über die Maßen und dabei ohne Maß verreißen (oder hochjubeln) würde. Also läßt man lieber erst einmal etwas Zeit verstreichen, damit sich all die Gefühle setzen können, schläft darüber und betrachtet den Fall aus einer kritischen Distanz.

Hätte der geneigte Rezensent seine Gedanken zum neuen Film von Takeshi Kitano direkt nach dessen Sichtung in die Tastatur geklopft - seine Worte wären gar deftig gewesen. Es wären Worte gewesen, die all den Frust zum Ausdruck gebracht hätten, der sich in den rund zwei Stunden (die ihm wie fünf Stunden vorkamen) Laufzeit von "Takeshis´" angesammelt hatte. Frust darüber, daß da der wohl beste japanische Filmemacher der vergangenen zehn Jahre nicht bloß einen mißlungenen Streifen abgeliefert hat, sondern (es muß jetzt endlich raus) ein komplett prätentiöses, unansehnliches Stück verfilmten Altherrenzynismus. Und das eigentlich Schlimme daran ist: mit voller Absicht. So als ob der Regisseur ganz bewußt mit allem brechen wollte, was ihn bisher auszeichnete, und damit sein Lebenswerk zu Klump hauen. Doch soweit läßt er es gar nicht kommen. Er zerschlägt es nicht, sondern läßt es einfach langsam vor sich hinverrotten.

Nun ist die Wut aber ganz und gar nicht nicht verflogen, sondern hat sich sogar aufs Hartnäckigste manifestiert. Und so muß gesagt werden: "Takeshis´" ist die mit Abstand größte Enttäuschung dieses Kinojahres. Vor allem bei einem Werk aus der Feder von Kitano, dessen schwächere Filme (zum Beispiel "Brother") sogar noch wie ein Turm der Eleganz aus der Masse ragten, ist das eine besondere Zumutung.

 

Aber worum geht es eigentlich? Wenn man das so einfach beantworten könnte ... Grob umrissen spielt der Film mit den Gegensätzen, die sich aus der Filmfigur "Beat" Takeshi und der vermeintlichen Privatperson Takeshi Kitano ergeben bzw. mit denen, die sich daraus ergeben könnten, wenn es die Filmfigur nie zu solchem Ruhm gebracht hätte - was in der Form eines Doppelgängers zu erklären versucht wird. Es geht um den Schrecken des Ruhms, um die Mißverständnisse, die sich daraus ergeben, wenn sich all die Klischees, mit denen Kitano in seinen Filmen so virtuos hantiert, gegen den Filmemacher wenden. Es geht um Clown-Kitano, Yakuza-Kitano und darum, wie satt er all diese Rollen offenbar hat.

Erraten: Dies ist das Paradebeispiel eines furchtbar verkrampften Exorzimus, den der Filmemacher an sich selbst und seiner öffentlich wahrgenommenen Person durchgeführt hat. Und als ob das alles noch nicht langweilig genug wäre, verstrickt sich Kitano auch noch zusehends in diverse Realitäts-/Phantasieebenen, die er dann zum Ende hin immer und immer wieder wiederholt und neu oder gar noch öder anordnet. Im Zuge dessen wird auch so gut wie jeder seiner eigenen Filme zitiert und das, was jene auszeichnete (das virtuose Changieren zwischen Stille und eruptiver Gewalt etwa), bis ins Lächerliche/Absurde paraphrasiert. Nur: Lustig ist das leider auch nicht.

Nein, man sollte sich das wirklich nicht ansehen - schon gar nicht, wenn man sein positives Kitano-Bild nicht hoffnungslos zerstören möchte. Was die üblichen Hornbrillenträger natürlich auch nicht davon abhalten wird, von einer grenzgenialen Dekonstruktion seiner Arbeit und vom Triumph des nichtnarrativen Meta-Kinos daherzuschwafeln oder - dem Vorbild auf der Leinwand folgend - ähnlich Verkrampftes von sich zu geben. Die Wahrheit ist viel trivialer: "Takeshis´" ist selbstgefälliges Arthouse-Kino der allerschlimmsten Sorte, eine unmotiviert zusammengesetzte Fragmentsammlung, die nervt, nervt, nervt.

Christoph Prenner

Takeshis´


Japan 2005

108 Min.

Regie: Takeshi Kitano

Darsteller: "Beat" Takeshi Kitano, Kotomi Kyono, Susumu Terajima u. a.

 

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