Stories_evoPod 2007 Vol. 1

Glamour, Geister & Giallo

Manchmal kommen sie wieder: Der evoPod meldet sich nach einer etwas längeren Pause zurück. Dafür aber gleich mit einem besonders ausgewählten Paket, in dem sich nicht weniger als die 7 wichtigsten Songs für 07/07 finden.    18.07.2007

Christoph Prenner

Interpol - Pioneer To The Falls

aus dem Album: "Our Love To Admire"


Interpol sind die bislang beste Band des Jahrzehnts. Punkt. Das hindert die vier eleganten Herren aus New York aber nicht daran, immer noch besser zu werden. Ihr drittes Album "Our Love To Admire" zeigt Interpol auf dem vorübergehenden Zenit ihrer Schaffenskraft. Wo es sich Konkurrenten wie die Editors auf der sicheren Seite des Coldplay-bewährten Bombastklangs bequem und Malen-nach-Zahlen-Düster-Rock machen, stehen Paul Banks und seine Kollegen längst als solitäre Größe da. Man nehme nur den Opener, "Pioneer To The Falls", bei dem Interpol aus minimalsten Mitteln das wohl ergreifendste und zugleich glamouröseste Stück dieses Jahres zaubern. Ja, zaubern. "I felt you so much today." Genau. Mehr zum gesamten Album in der ausführlichen EVOLVER-Rezension (siehe Link unten).

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UNKLE - Burn My Shadow (feat. Ian Astbury)

aus dem Album: "War Stories"


Am Schluß fliegt Dr. Luka Kovač in die Luft. Wer also daran interessiert sein sollte, was "ER"-Doc Goran Višnjić so in seiner Freizeit treibt, wenn er nicht gerade in miesen Comic-Verfilmungen ("Elektra") mitwirkt, der dürfte im neuen, wie gewohnt schon fast Kurzfilmdimensionen annehmenden Video von UNKLE zu dessen Ende auf explosive Erkenntnisse stoßen. Dabei hätte der derart beworbene Track "Burn My Shadow" das ganze Brimborium gar nicht nötig. Weil es an sich schon völlig ausreicht, den großen Ian Astbury wieder einmal in einem Kontext zu hören, der zum Glück ganz wenig mit der Leichenfledderei an Legenden-Bands (gemeint ist sein Mitwirken bei der Doors-"Reunion" und nicht die geglückte Wiederbelebung von The Cult) zu tun hat. Besagter Kontext ist wie immer bei den UNKLE der Post-DJ-Shadow-Ära ein betont High-End-produzierter, nichtsdestotrotz aber höchst einnehmender Breitwand-Pomp-Pop - von der Sorte, wie man ihn in weniger begabten Händen auch schon öfter scheitern hat sehen. Die Album-Gästeliste komplettieren u. a. Josh Homme, Massive Attacks 3D und die famosen Autolux.

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Justice - Phantom/Phantom Pt. II

aus dem Album: "†"


Daß da noch keiner früher draufgekommen ist: So zu Tode gesamplet die Popmusik der vergangenen vier Jahrzehnte auch sein mag, an die grandiosen Scores der Giallo-Großtaten von Dario Argento hat sich noch kaum jemand gewagt. Bis jetzt. Und da sind es ausgerechnet Franzosen: Justice - diese Anführer der mitreißendsten French-Electro-Welle seit ca. Daft Punk und Co. vor zehn Jahren - haben sich (in zwei Durchgängen) mit der Musik zu "Tenebre" gleich eines der Herzstücke der Vertonungsmeisterleistungen von Goblin vorgeknöpft. Das Ergebnis ist trotz des gar nicht so gelegentlichen Einsatzes des Electro-Sägezahns dann irgendwie doch eher wertkonservativ ausgefallen - was an sich ja sehr für das Ausgangsmaterial spricht. Es ist eben verdammt schwer, so einem Meilenstein noch etwas draufzusetzen. Die Herren Gaspard Augé und Xavier de Rosnay haben ihm zumindest zu einer zeitgemäß rockenden Anmutung verholfen.

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Spoon - The Ghost Of You Lingers

aus dem Album: "Ga Ga Ga Ga Ga"


Mit "I Turn My Camera On" vom Vorgängeralbum "Gimme Fiction" gelang Spoon die Quadratur des Kreises: einen veritablen Hit zu schreiben, auf den sich erstens so gut wie jeder einigen konnte, und der zweitens auch nach dutzendfachem Hören (was sich wegen seiner Verwendung als Autowerbespot- bzw. Konzertpausen-Untermalung auch nicht vermeiden ließ/läßt) nicht auf die Nerven geht. Zu dumm nur, daß die Band hinter dem Song immer noch zu wenigen ein Begriff ist. Ob sich das mit der dadaistisch betitelten neuen Platte "Ga Ga Ga Ga Ga" ändern wird, läßt sich mit gutem Grund bezweifeln - an deren Qualität kann´s aber garantiert nicht liegen. Allein schon für "The Ghost Of You Lingers", das mit einem geloopten Piano-Motiv, Stereo-Stimmeffekten und behutsam eingebauten Störgeräuschen so minimal in der Ausstattung und so maximal in der Wirkung daherkommt, hätten sich Britt Daniel und seine Kollegen den Preis für das innovativste Songwriting des Jahres verdient.

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Biffy Clyro - Semi-Mental

aus dem Album: "Puzzle"


Wenn bislang die Rede auf den Schottenrock - entschuldigen Sie bitte die unpassende Wuchtl - kam, dann wurde da entweder von Mogwai geschwärmt, von Franz Ferdinand oder meinetwegen sogar von Belle & Sebastian. Selten aber von Biffy Clyro, was umso überraschender/enttäuschender ist, wenn man mitbekommen hat, zu welch Großtaten dieses Trio auf seinen ersten drei Platten imstande war. Mit dem neuen Major-Deal sollte sich das Aufmerksamkeitsdefizit aber erledigt haben. Obwohl man stellenweise schon merkt, daß die Band, die früher ganze Prog-Poprock-Opern innerhalb einer Woche zusammengeschustert hat, hier ein wenig zuviel Geld und Zeit zur Verfügung hatte, sprechen Stücke wie "Semi-Mental" schließlich doch wieder für sich. Dave Grohl würde inzwischen wohl die gesamten Nirvana-Songtantiemen des vergangenen Monats versetzen, wenn ihm mit seinen Foo Fighters noch einmal so ein himmelstürmendes Rock-Biest glücken würde.

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Alex Gopher - The Game (The Bloody Beetroots Remix)

aus der (digitalen) Single: "The Game"


Wo vorhin gerade die Rede von Argento war: Auch Darios Tochter Asia hat ja so einiges zu bieten - zuletzt etwa äußerst erinnerungswürdige Auftritte in "Marie Antoinette" und "Land Of The Dead". Auch an der musikalischen Betätigung scheint die Scarlet Diva wieder Gefallen gefunden zu haben. Zu diesem Behufe hat sie sich ihre forschen Landsleute von The Bloody Beetroots geangelt, mit denen sie demnächst die Musikstudios Italiens - wie sagt man´s am treffendsten? - heimsuchen wird. Wie sich das anhört, wenn sich die blutigen Rüben Bob Rifo und Tea (die übrigens am 4. August auf dem Badeschiff Wien erstmals live in Österreich auftreten werden) über Fremdmaterial hermachen, läßt sich an dieser Stelle exemplarisch an der Verwüstung von Alex Gophers an sich heimeligem Disco-Pop-Track "The Game" nachvollziehen. Asia, gib acht!

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Michael Fakesch - Escalate

aus dem Album: "Dos"


Der kleine Prince gefällt sich dieser Tage nicht zum ersten Mal in der Erfüllung seiner Rolle als Pop-Widerborst - weil er es doch tatsächlich wagt, den Besuchern seiner (mehr als 20 ausverkauften) London-Konzerte seine neue Platte umsonst in die Hand zu drücken. Was das mit dem ersten Soloalbum von Funkstörung-Hälfte Michael Fakesch zu tun hat? Abgesehen davon, daß sich der solche Aktionen nicht leisten kann, musikalisch eine ganze Menge: Was der Bayer hier gemeinsam mit dem Vokalisten Taprikk Sweeze zusammengebraut hat, schuldet dem Prince der "Controversy"-Ära nämlich mehr als eine kleine Ehrerbietung. Das soll aber nicht heißen, daß Fakesch und Sweeze sich hier lediglich als Kopisten betätigen. Im Gegenteil: Die futuristische Produktion, in die auch wieder jene Cut-up-Ästhetik einfließt, die Funkstörung einst zur Perfektion brachten, macht "Dos" zu einem wahren Gradmesser dafür, wie man Geschichte und Zukunft aufs Wundersamste verschmelzen kann. Kann jetzt bitte noch ausnahmsweise einmal jemand den Spieß umdrehen und Prince eine CD - nämlich diese hier - schenken? Bitte?

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