Kino_Kino-News KW 2/2005

Love is a Battlefield

Gleich zwei Tragikomödien widmen sich diese Woche den Fährnissen der Liebe. Außerdem: Ikonenbildung made in USA und Rechtsprechung in Frankreich.    14.01.2005

 

Christoph Prenner

Hautnah

(Closer)


USA 2004

103 Min.

Regie: Mike Nichols

Darsteller: Julia Roberts, Jude Law, Natalie Portman, Clive Owen u. a.

 

Grausames Liebesspiel. Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Filmbesprechung.

 

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Ray


USA 2004

152 Min.

Regie: Taylor Hackford

Darsteller: Jamie Foxx, Kerry Washington, Regina King u. a.

 

Mit Taylor Hackfords ("Ein Offizier und ein Gentleman", "Im Auftrag des Teufels") Verfilmung des Lebens der vergangenes Jahr verstorbenen Soul-Legende Ray Charles läuft heute das erste Exemplar des derzeit grassierenden Biopic-Booms in den Kinos an.

Und ist auch gleich prototypisch für die jüngste Hollywoodsche Lust an der Darstellung "echten" Lebens, die im besseren Fall Höhepunkte und Abgründe mehr oder weniger faszinierender Charaktere behutsam gegeneinander abwägt, im schlechteren aber bloß eindimensionale Heldengemälde zeitigt. "Ray" ist irgendwo in der Mitte angesiedelt.

Hackford ist sichtlich bemüht, auch den Schatten (Erblindung, Drogenexzesse, Vielweiberei), die in frühen Jahren über dem Leben des Erfinders der Soulmusik hingen, ihren Platz einzuräumen, verfällt aber im Verlauf der überlangen Handlung einer verklärenden und unnötig moralisierenden Erzählweise, die zwangsläufig in einer pickigen Mythologisierung des American Dreams endet. Jamie Foxx' Spiel ist nichtsdestotrotz gewaltig gut - und die Songs natürlich - nach all den Jahren - auch noch.

 

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Just a Kiss

(Ae Fond Kiss)


GB 2004

104 Min.

Regie: Ken Loach

Darsteller: Atta Yaqub, Eva Birthistle, Shamshad Akhtar u. a.

 

Manchmal leidet eine Liebe an Besitzgier und internen Machtspielen - siehe "Hautnah". Zuweilen aber auch am Druck von außen, wie Regie-Routinier Ken Loach in "Just A Kiss" eindrücklich festzuhalten weiß: ein Sohn pakistanischer Einwanderer (Atta Yaqub) verliebt sich in eine katholische Musiklehrerin (eine Erscheinung: Eva Birthistle), und das ausgerechnet im an Glaubens- und Sozialkonflikten nicht grad armen Glasgow.

Doch ganz Loach-untypisch entsteht daraus keine grimmige Sozialstudie, sondern eine durchaus leichtfüßige Gesellschaftskomödie, die es sehr gut versteht, das Hin- und Hergerissensein ihrer Protagonisten zwischen familiärer Loyalität und individuellem Lebensentwurf (von Glück will man ja gar nicht sprechen) einzufangen, ohne dabei in Schwarzmalerei oder Verklärung der Umstände zu verfallen. Denn einfache Lösungen werden hier nicht angeboten. Aber das ist ja im wirklichen Leben nicht anders. Äußerst gelungen.

 

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Alles auf Zucker


D 2004

90 Min.

Regie: Dani Levy

Darsteller: Henry Hübchen, Hannelore Elsner, Udo Samel u. a.

 

Zwei seit vierzig Jahren verfeindete Brüder: der eine ein halbseidener Zocker (Hübchen), der andere ein orthodoxer jüdischer Geschäftsmann (Samel). Beide: hoch verschuldet. Um an das nicht gerade unbescheidene Erbe der eben verstorbenen Frau Mama zu kommen, gilt es für die beiden Streithammel, sich zu versöhnen und gemeinsam deren Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof in Berlin zu organisieren.

Eigentlich fürs Fernsehen gedrehter Film um deutsch-jüdische (und auch ost-westdeutsche) Mißverständnisse offenbart sich der Streifen als politisch korrekte Konsensware. Muß nicht sein.

 

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10. Pariser Strafgericht - Momente von Verhandlungen

(10e Chambre - Instants D'Audience)


F 2004

105 Min.

Regie: Raymond Depardon

Darsteller: Michèle Bernard-Requin u. a.

 

Heiteres Bezirksgericht? Mitnichten. Raymond Depardon begleitet in seinem Doku-Drama eine Handvoll Delinquenten (Dealer, Alkohol-Lenker) bei ihrem Gang zu den für sie vorgesehenen Verhandlungen vor einem kleinen Pariser Bezirksgericht. Ein hochinteressantes Schauspiel, das phasenweise einer gewissen Komik nicht entbehrt, und doch elementares aufzeigt: wem Recht widerfahren soll (bzw. möglichst wenig Unrecht), der sollte lernen, brav zu kuschen und hoffen, daß der mit der Rechtsprechung Ausgestattete möglichst einen ruhigen Schlaf und auch sonst keinen schlechten Tag erwischt hat. Sonst kann es ganz schnell alles andere als heiter werden. Aber das nennt man dann Justizsystem.

 

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Erik(A) - Der Mann, der Weltmeisterin wurde


Ö 2004

86 Min.

Regie: Kurt Mayer

Darsteller: Erik(a) Schinegger, Mariella Goitschel, Karl Schranz u. a.

 

1966 gewinnt Erika Schinegger den Weltmeistertitel im Abfahrtslauf der Damen. Ein Jahr später beendet eine vom Internationalen Olympischen Komitee angeordnete Geschlechtskontrolle sehr plötzlich ihre Karriere. Denn Erika wurde eigentlich als Mann geboren ... Doku-Aufarbeitung eines besonders tragischen Falls österreichischer Sportgeschichte.

 

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