Kino_King Kong

Return of the King

Wenn alle Hollywood-Remakes so originalgetreu und filmverliebt daherkämen wie Peter Jacksons Affenfilm, dann könnte man Hollywood glatt wieder mögen.    20.12.2005

King Kong can´t be wrong.

Nach dem katastrophalen Remake aus dem Jahre 1976 hätte man den Riesenaffen fast schon abgeschrieben - doch als Peter Jackson nach seiner phänomenalen "Lord of the Rings"-Trilogie vermeldete, daß er seinen Lieblingsstreifen neu verfilmen wollte, faßten Fans des Originals neue Hoffnung. Mittlerweile weiß man ja, daß auch Herr Jackson nichts falsch machen kann. So wie der King.

Dementsprechend war auch der Nerd-Faktor in Sachen "King Kong" von Anfang an groß. Jackson und sein Team ließen die Internet-Junkies via "Production Diary" an den Dreharbeiten und der Post-Production des Films teilnehmen (diese Extra-Extras sind bereits jetzt auf DVD erschienen), um die Vorfreude noch zu vergrößern. Das entschädigte viele dafür, daß die von den Filmverleihern organisierten Pressevorführungen so spät angesetzt und pseudo-exklusiv waren, daß eine vernünftige Vorberichterstattung nicht möglich war.

Egal - zu einem Ereignis wie "King Kong" geht man selbst als verwöhnter Filmjournalist einfach so ins Kino und kauft sich anständigerweise seine Karte selbst. Das liegt daran, daß Peter Jackson es bis heute schafft, trotz gigantomanischer Big-Budget-Produktionen einen Indie-Spirit zu versprühen, der den Menschen da draußen das Gefühl gibt, daß sie diesen Mann unterstützen müssen. Und sobald die Menschen da draußen vor der Leinwand da drinnen sitzen, wissen sie, daß der Mann sie wieder nicht enttäuscht hat.

Bei "King Kong" stimmt einfach alles: Schon der erste Teil des Films, der in den 30er Jahren in New York und später auf einem schäbigen Dampfschiff spielt, vermittelt einerseits die Stimmung der Depressionszeit, wo jeder - auch im Showbusineß - gegen die Machenschaften der Geldhaie zu kämpfen hatte und stets damit rechnen mußte, seine Arbeit oder seine Wohnung zu verlieren; andererseits steigert diese in aller Ausführlichkeit erzählte Einführung die Spannung auf das zu Erwartende noch mehr. Denn was kommen wird, weiß man ja (zumindest, wenn man das Original aus dem Jahre 1933 kennt) ganz genau.

Der Filmregisseur Carl Denham (großartig manisch gespielt von Jack Black) will unbedingt einen Sensationsstreifen drehen, obwohl ihn seine Geldgeber schon von der Polizei verfolgen lassen. Also schnappt er sich eine unbekannte Schauspielerin namens Ann Darrow (Naomi Watts, gewohnt gut), den Rest seines Filmteams und die geheimnisvolle Landkarte, auf der Skull Island eingezeichnet ist, und macht sich per Schiff auf den Weg. Und als die geheimnisvolle Insel endlich erreicht ist und die Action losgeht, kommt ...

 

... eine Pause.

Ja, OK, das ist ein Kritikpunkt. Aber auch schon der einzige. Nach der Zwangsunterbrechung geht es nämlich so gigantisch weiter, daß dem Filmfreund während der restlichen 90 Minuten von "King Kong" schlicht das Maul offenstehen bleibt vor Staunen. Widerliche Eingeborene, Urweltmonster, phantastische Verfolgungsjagden, Saurier, Rieseninsekten, ein Dschungel wie aus dem Abenteuer-Bilderbuch, dramatische Action-Szenen - und natürlich der Affe. King Kong ist, wie sich jeder vorstellen kann, kein Mensch im Affenkostüm und auch keine Stop-motion-Kreatur, sondern ein digital erzeugter, acht Meter großer Berggorilla, in bewährter Weise belebt von Andy "Gollum" Serkis. Und Jackson schafft es mit Hilfe seiner SFX-Mannschaft auch hier, eine im Computer erzeugte Kreatur menschlicher wirken zu lassen als so manchen echten Schauspieler. (Ja, Thomas Kretschmann, damit bist du gemeint!)

Kong erblickt die weiße, blonde Frau, die ihm da von den degenerierten, bösen Wilden geopfert werden soll, verfällt ihr auf den ersten Blick, entführt sie in sein Reich, amüsiert sich - auf platonische Art, naturgemäß - mit ihr, rettet sie nach ihrer Flucht vor den T-Rexen und erlebt mit Ann einen romantischen Sonnenuntergang. Dann aber taucht der plötzlich zum Helden gewordene Drehbuchautor Jack Darrow (Adrien Brody) auf und schnappt sie ihm weg - und das ist der Grund, warum sich der King vom geldgierigen Regisseur einfangen und ins sensationsgeile New York transportieren läßt. Dort kommt es dann auch zum bekannten und absolut herzzerreißenden Ende. Und wer dabei keine Träne vergießt, ist ein schlechter Mensch.

Was wir daraus lernen? Daß wir Peter Jackson weiterhin liebhaben dürfen; daß die schlechteren Einspielergebnisse (kein Wunder, nach "Herr der Ringe", den jeder sehen mußte, der in der Schule keine Freunde hatte) keine Rolle spielen; daß wir uns natürlich jede Super-Special-Edition auf DVD zulegen müssen; daß es immer noch Filme gibt, die richtig Freude machen, ohne je dumm zu sein - und, besonders wichtig: daß Blondinen an allem schuld sind. Denn kaum ist der Affe tot und ganz traurig vom Empire State Building gefallen, wirft sich Ann Darrow schon dem nächsten in die Arme.

Sowas ist einfach nicht richtig. Aber so ist die Welt.

Peter Hiess

King Kong


USA/Neuseeland 2005

177 Min.

Regie: Peter Jackson

Darsteller: Jack Black, Naomi Watts, Adrien Brody

u. a.

 

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