Games_Doom 3

Angst und Schrecken auf dem Mars

ID Software schickt eine neue, graphisch funkelnde Version seines Kult-Shooters ins Rennen. Das Ballern ist jedoch nur Beiwerk - die Metzelei auf dem Mars hat andere Stärken.    14.09.2004

Wo lungern Kirk und Co. eigentlich in der Zeit zwischen weg- und hin-beamen herum? "Doom 3" gibt die Antwort: in der Hölle. Da müssen Sie auch hin, sofern Sie den Job als Mars-Marine annehmen. Die Story in Kürze: Ächz stöhn baller, Quicksave, argh!, Quickload, BFG9000, Krachbummundschluß.

Nein, ganz so einfach hat sich´s ID Software nicht gemacht, obwohl es sich bei "Doom 3" in Wirklichkeit um ein thematisches Remake des Originalspiels handelt. Wieder bastelt die freundliche Waffenfirma UAC auf dem Mars an gefährlichen Biowaffen und Teleportern herum. Wieder dienen als Ausgangsmaterial Artefakte versunkener Zivilisationen, obwohl man doch inzwischen wissen sollte, daß man sich dabei gewaltig die Finger verbrennen kann. Und natürlich kocht ein Mad Scientist mit deutschem Nachnamen sein eigenes Süppchen und baut die Teleporter um. Plötzlich öffnen sie das Tor zur Hölle und lassen die Heerscharen der Finsternis auf die Sozialsysteme unserer demokratischen Dimension los. Bloß gut, daß vor Zillionen von Jahren einer uralten und hyperintelligenten Rasse just dasselbe schon einmal passiert ist. Und wenn die das Problem gelöst haben, dann können Sie und Ihre Pumpgun/Kettensäge das auch.

Der Weg in die Hölle ist weit und mit reichlich Atmosphäre gepflastert. Ihre Wirkung verdankt sie unter anderem einer sorgsam-schauerlichen Klangkulisse, die auf Musik fast völlig verzichtet und wohl gerade deshalb nie fad wird. Auch die dynamischen Licht- und Schattenspiele gehören zum Feinsten, was derzeit zu spielen ist. Von der ersten Stunde an zerren Flackerlichter und Dampffontänen wie aus "Alien" an Ihren Nerven, danach die wachsende Gegnerschaft der höllischen Brut. Der Schock ist groß, wenn wieder einmal eine Monsterspinne von der Decke fällt. Auf die haut man dann wie blöde mit der Taschenlampe drauf, weil man vor Schreck ganz vergessen hat, die Knarre zu zücken. Gegen Ende des Spiels waten Sie knietief in Leichenteilen, Blut fließt an den Wänden herab, und überall glänzt feuchter Höllenglibber im Schein der Taschenlampe. Eine Mordsgaudi ...

 

... allerdings eine mit ein paar Schwächen. Nach einem ungeheuer starken Einstieg und einem blutigen Mittelteil läßt die Präsentation zum Ende hin etwas nach. Die Rätsel sind zu einfach, die Gegner nur mäßig schlau, ihr Auftauchen teils berechenbar (was machen die eigentlich in den engen Schränken, wenn keine Marines vorbeikommen?). Die Oberfläche des roten Planeten dürfen Sie nur zwei-, dreimal und immer nur wenige Minuten betreten; dabei zeigt sie aber, wie atemberaubend gut Außen-Levels hier aussehen können. Gags wie das hundertprozentig sinnfreie Game-im-Game "super turbo turkey puncher" gibt es zu selten, intelligente Gruppenhandlungen fast gar keine: Überlebende geben erst Keycard oder Hinweis, dann den Löffel ab. Die anfangs schaurige Klaustrophobie der engen Innen-Levels mit ihren Zombies und Geistern weicht später der Frage, warum der ach-so-teuflische Dr. Betruger uns gegen Ende nur noch mit platten Einzeilern ("Your soul will be mine!") nervt. Einige Texturen pixeln aus der Nähe, die meisten Gegenstände sind trotz intelligenter Physiksimulation festgenagelt. Der Ort der Verdammnis gleicht einer Standardhölle vom Katalogversand, die obligate Mischung aus Totenköpfen, Feuer, Ketten, Kerzen etc. ist geradezu eine Erholung im Vergleich zu den saftigen letzten Splatter-Levels auf der Marsstation.

Die gelungene Bedienung von "Doom 3" wagt keine Experimente, im Vergleich zu modernen Schleich-Shootern ist sie sogar rudimentär; es existiert zum Beispiel kein Blick um die Ecke. Im Pipi-Modus kommen auch Einsteiger mit den Monstern zurecht, höhere Schwierigkeitsgrade steigern die Zahl der Gegner. Das Handicap, entweder die Taschenlampe oder eine Waffe benützen zu können, erweist sich schon nach kurzer Zeit als beherrschbar, das Gejammer der Tageslicht-Shootisten in einigen Foren ist unbegründet.

Die Hardware-Anforderungen der Packung sind realitätsnah. Viel hilft viel, doch auch mit einer ein Jahr alten Midrange-Graphikkarte ist "Doom 3" auf einem 1,5-Gigahertz-PC ein Erlebnis, denn die engen Räume sehen auch bei 640x480 noch blendend aus. Kaufen Sie eine neue Graphikkarte erst, wenn Sie feststellen, daß das Game spürbar ruckelt - die Verbesserung einer ohnehin schon guten, flüssigen Darstellung kann beim Upgrade von einer halbwegs anständigen Karte zu einem der neuen Graphikwunder geringer ausfallen als erhofft.

 

Keine Frage: "Doom 3" ist abgesehen von kleineren Schwächen ein prima Ballerspiel mit vielen Schockmomenten, brillanter Graphik und einer bedrückenden Atmosphäre. Es erfindet das Genre nicht neu, bereichert es aber um eine schaurig-schöne Gruselvariante, die Ideen und Levels aus "Unreal" (ein bißchen) und "Half-Life" (viel) klaut und mit dem Schreckfaktor unterschätzter Horror-Shooter wie "Undying" oder "Aliens vs. Predators 2" mixt. So gibt "Doom 3" wie "No One Lives Forever" neue Impulse für den Single-Modus der First-Person-Shooter. Und es vertreibt die Zeit bis "Half-Life II". Oder bis "When it´s done".

Andreas Winterer

Doom 3

ØØØØ


(ID Software/Activision)

erhältlich für PC

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