Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #50

Das Leben ist ja doch ein Ponyhof!

Immer wieder fallen uns Sprachzombies mit halbverrotteten Phrasen an. Zumindest dieser einen sollten wir einen Headshot verpassen.    15.08.2019

Sie brauchen sich nur über irgendwas zu beschweren, etwa darüber, daß Langspielplatten doch irgendwie eine recht kurze Spieldauer haben oder die Asia-Wochen bei McDonald´s leider schon lange vorbei sind (und einfach nicht neu aufgelegt werden) oder daß Ihr Arbeitgeber Sie dazu dazu verdammt hat, 50 Leute anzurufen, ohne Ihnen aber ein Telefon zur Verfügung zu stellen.

Schon kommt von links eine ganz gewitzte Person des Weges, nicht selten eine Frau mittleren Alters mit kurzen Haaren, und bemerkt schnippisch:

"Tja. Das Leben ist eben kein Ponyhof."

 

Oder Sie beschweren sich über die wirklich wichtigen Dinge im Leben: daß Ridley Scott keine guten "Alien"-Filme mehr dreht. Daß überhaupt niemand mehr gute "Star Wars"-Filme dreht. Daß "The Walking Dead" inzwischen einfach fad ist, wie überhaupt Netflix und Prime komplette Provokations-Ödnis sind. 

Schon kommt von rechts ein glucksender Schlaubold daher, gerne ein Mann mittleren Alters mit überkämmter Stirnglatze, der erklärt:

"Nun. Das Leben ist halt kein Ponyhof."

 

Sie können auch Elementares beklagen: daß alle Dinge immer nach unten fallen. Daß wir alle sterben müssen, spätestens beim nächsten Urknall. Daß plötzlich alle vegan sind, selbst die Burger. Und daß wir Gott und seinem Scheißkosmos sichtlich völlig egal sind (man aber dennoch von uns erwartet, letzteren so sauber zu verlassen, wie wir ihn vorgefunden haben).

Schon bemerkt wieder irgendwer:

"Tja, nun: Das Leben ist kein Ponyhof."

 

Ich habe diesen Satz schon oft gehört, ich bin ihn leid. Und inzwischen auch ganz leicht teilverbittert. Warum genau ist das Leben denn kein Ponyhof? Was genau ist eigentlich ein Ponyhof? Welche hart arbeitende Person ohne reitende Kinder kennt überhaupt einen solchen?

Und wo liegen denn eigentlich die Unterschiede zwischen "Ihrem Leben" und "einem Ponyhof"? Erst wenn Sie das wüßten, könnten Sie doch genau die Differenz ermitteln und daraus Ziele, Strategien, Erfolgsmeßkriterien ableiten.

Erst dann könnte man beispielsweise sagen: "Das Leben ist kein Ponyhof. Ja-ha. Aber es könnte einer werden. Wir müßten doch nur, ich meine: wir alle zusammen, gemeinsam, folgendes tun ... und zack! Zack! Zack, hätten wir den Ponyhof!"

 

Spätestens dann würde aber klar werden, welcher Unsinn diese Aussage ist, sofern man sie einmal kosmisch betrachtet, also auf die einzig relevante Weise. Denn wenn "das Leben", also irgendwie ja eigentlich "alles", "kein Ponyhof" ist, dann ist folglich nichts ein Ponyhof.

Ergo gibt es den gar nicht, den angeblichen Ponyhof.

Folglich kann sich auch niemand damit auskennen.

Woraus sich wiederum ergibt: Nur ahnungslose Theoretiker sagen Dinge wie "Das Leben ist kein Ponyhof.“ Solche Aussagen behaupten Trugbilder, Schimären, Phantasmen. Es sind Fake News.

 

Und das sage ich noch ohne Bewertung der ästhetischen Dimension. Man stelle sich nur einmal vor, wie berühmte Filmszenen geklungen hätten, wenn sie diesen Phraseologismus verwendet hätten:

 

"Chinatown" (Walsh):

"Vergiß es, Jake, es ist eben kein Ponyhof."

 

"300" (Kurier/Leonidas):

"Das ist Wahnsinn!"

"Wahnsinn? ... DAS IST PONYHOF!!

 

"Highlander" (McLeod):

"Hey, it´s a kind of ponyhof!"

 

"Star Wars" (Obi Wan):

"Das ist kein Planet, das ist ein Ponyhof!"

 

"Rambo III" (Hamid/Rambo):

"Was ist das?"

"Ein Ponyhof."

"Was macht er?"

"Er leuchtet blau."

 

Sie sehen: Mit Ponyhof-Dialogen einen guten Film zu machen, wäre alles andere als ein Zucker- oder Honigschlecken im Rosengarten. Die Ponyhof-Phrasen zu vermeiden ist allerdings auch keine Kinderjause, und sich Alternativen auszudenken wahrlich kein Krippenspiel. Aber wie wäre es mit "Das Leben ist kein Schlachtbankett" oder "Das Leben ist kein Leichenschmaus"?

Was schert uns überhaupt der verschissene Ponyhof? Die vermaledeiten Kleinpferde sollten endlich türmen und den elendigen Streichelzoo entfrienden, denn das ist ja wohl als einziges wahr: Für die armen Ponys, die auf einem Ponyhof leben, ist das Leben sicher kein Ponyhof. Was uns in Erinnerung ruft, daß das Leben eben doch ein Ponyhof ist.

 

--

Das Bilderrätsel:

Welche weiteren Getränke sollten ganz dringend ebenfalls "to go" verfügbar sein? 

Andreas Winterer

Kommentare_

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