Kino_Film-Tips 01/09

Blindgänger und Lichtblicke

Frank Millers Adaption von "The Spirit" wurde zwar leider kurzfristig verschoben - doch das restliche Kinoprogramm für Januar läßt uns über diesen Verlust hinwegkommen. Zu sehen gibt es unter anderem neue Werke der Herren Fincher, Singer und Mendes.    12.01.2009

Christoph Prenner

Der seltsame Fall des Benjamin Button

(The Curious Case of Benjamin Button)

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Ganze fünf Jahre mußte man auf David Finchers bisher letzte, mit jedem Ansehen noch faszinierendere Großtat "Zodiac" warten. Bei soviel selbstauferlegtem Perfektionismus erscheint es fast als kleines Wunder, daß der Nachfolgestreifen gerade einmal eineinhalb Jahre Entstehungszeit in Anspruch nahm. Da paßt es auch ganz gut, daß sich "The Curious Case Of Benjamin Button" um eine Zeitanomalie dreht. Der titelspendende, von Brad Pitt dargestellte Charakter altert in dieser Bearbeitung einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald nämlich rückwärts - er jüngert gleichsam. Die mittels modernster digitaler Effektarbeit herbeigeführte Entwicklung vom jungen Greis zum alten Buben wird dabei kurzgeschlossen mit einer bittersüßen, weil den Zeitläuften entgegenarbeitenden Liebelei. Und weil die Angebetete ausgerechnet von der phantastischen Cate Blanchett dargestellt wird und aus den Pressevorführungen selbst hartgesottene Herren aufgelöst rauskamen, kündigen wir hier wieder einmal Großes aus der Werkstatt des magischen Herrn Fincher an.

 

Einschlagswahrscheinlichkeit: 90 %

Links:

Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat

(Valkyrie)

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Über einen Mangel an Publicity darf sich die mehr oder minder authentische Rekonstruktion der Geschichte des mißglückten Hitler-Attentats des Grafen von Stauffenberg wahrlich nicht beklagen - so oft, wie "Valkyrie" in den vergangenen paar Jahren und seit Anbeginn der Dreharbeiten in den Schlagzeilen war. Neben der Frage, wie ein Sektengnom wie Tom Cruise (dem in Sachen Scientology-Propaganda derzeit ohnehin Will Smith den Rang abläuft) einen aufbegehrenden Systemgünstling glaubhaft umsetzen kann, wird auch noch interessant zu beobachten sein, ob Regisseur Bryan Singer nach drei Comic-Verfilmungen (zweimal "X-Men", einmal "Superman") ohne Reibungsverluste in die geschichtsbehafteten Gefilde von "Der Musterschüler" zurückkehren kann, ohne dabei einen "Untergang" zu erleiden.

 

Einschlagswahrscheinlichkeit: 60 %

Links:

Die Stadt der Blinden

(Blindness)

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Apocalypse now! Nicht ganz unpassend zur tatsächlichen Weltlage befindet sich der Weltuntergangsfilm schon länger in einer Phase der Hochkonjunktur (und wird dort bis zum sehnlichst erwarteten "The Road" wohl auch bleiben). Auch in dieser Adaption eines Romans von Literaturnobelpreisträger José Saramago ist es ein Virus, das die Zivilisation an ihre Grenzen führt - allerdings keines, das zu Zombiefizierung oder ähnlichem führt, sondern zur Erblindung. Obwohl mit Fernando Meirelles ("City of God") ein Könner seines Fachs die Regie übernommen hat, zeigt sich leider sehr bald, warum "Blindness" bislang stets als unverfilmbar galt. Bei aller visuellen Kunstfertigkeit, die Meirelles hier (in mehrfacher Hinsicht) aufblitzen läßt, kann man doch nicht leugnen, daß einer Geschichte, in der die Protagonisten blind sind oder werden, kaum ohne Reibungsverluste mit den bildnerischen Mitteln des Kinos beizukommen ist.

 

Einschlagswahrscheinlichkeit: 55 %

Links:

Zeiten des Aufruhrs

(Revolutionary Road)

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Es ist ein wenig der Hund drin in der Beziehung zwischen Sam Mendes und dem Autor dieser Zeilen. Für "American Beauty" wird der Kritiker den Regisseur noch in 50 Jahren in den Filmemacher-Himmel heben, doch angesichts von "Road To Perdition" (mehrmals eingeschlafen) bzw. "Jarhead" (absichtlich gleich verpaßt) erlosch die Ehrerbietung schneller als erwartet. Wenn Mendes nun wieder ein Ehedrama in der wohlhabenden Vorstadt - genau das Thema, mit dem er einst für solche Furore sorgte - inszeniert, ist das wohl die Chance auf Versöhnung; zumal er dafür mit seiner Angetrauten Kate Winslet (die man spätestens seit ihrem "Extras"-Auftritt lieben muß) und Leo DiCaprio - ja, dem "Traumpaar" aus "Titanic" - eine nicht unbrisante Besetzung gefunden hat. Zeit also, Sam Mendes noch eine Chance zu geben, vor allem, wenn man wie besagter Autor auch "Titanic" als einzigen Cameron-Film nie ganz gesehen hat. Aber wenn nicht alles schiefgeht, dürfen wir ja auch mit diesem Regisseur noch vor Jahresfrist (Stichwort: "Avatar") Frieden schließen.

 

Einschlagswahrscheinlichkeit: 70 %

Links:

Was sonst noch anläuft


Das Gesetz der Ehre (Pride and Glory)

Ein fast schon traditionell nichtssagender deutscher Verleihtitel, ein Drehbuch, das wieder einmal ziemlich nach Cop-Movie à la "Malen nach Zahlen" klingt: Wie zuletzt schon bei "Righteous Kill" rettete hier wohl die recht hochklassige Besetzung (Edward Norton, Jon Voight) vor der Direct-to-DVD-Vermarktung.

 

Twilight

Teenager und Vampire, die US-Variante - der aktuell wesentlich sehenswertere Beitrag zum Thema namens "Let The Right One In" kommt allerdings aus Schweden und mit etwas Glück auch bald in unsere Kinos.

 

Der fremde Sohn (Changeling)

Der erste von zwei neuen Filmen des Clint Eastwood - der mit Angie Jolie in der Hauptrolle - leidet bei allem Ausstattungsprotz an einer zu langen, zu zerfransten Inszenierung. Hoffentlich kann "Gran Torino" mehr.

 

Ein Augenblick Freiheit

Gutmenschenkino aus Österreich. Zur Abwechslung was ganz Neues ...

 

Die Klasse (Entre les murs)

Pädagogenkino, die erste: vielfach prämiert - sicher auch mit dem Robin-Williams-Vertrauenslehrer-Gedächtnispreis.

 

Half Nelson

Pädagogenkino, die zweite: gar nicht einmal so übel. Lesen Sie dazu unsere ausführlichere Filmbesprechung im Rahmen des Viennale-Journals 2006. Jawohl, 2006.

 

Saw V

Schreck, die erste: aber zumindest keine weitere Uwe-Boll-Videospielverfilmung.

 

Far Cry

Schreck, die zweite: leider Uwe Boll, aber zumindest nicht ein weiteres redundantes Torture-Porn-Sequel.

 

Wild Nippon

Zum Schluß noch ein Hinweis auf die im Grazer Rechbauerkino stattfindende Schau von "X-Rated-Kultfilmen aus Japan". Das genaue Programm entnehmen Sie bitte der Homepage des Kinos.

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Kommentare_

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