Kolumnen_Der Misanthrop: Am Superlativsten

Am Superlativsten

Als wäre die Neue Rechtschreibung nicht schlimm genug, versucht sich nun auch Jedermann an der Erweiterung deutschen Sprachguts. Benjamin Denes rät ab.    08.09.2003

Höchste Zeit für Sprachkritik: Seit einiger Zeit gibt es in den angeblich zivilisierten Ländern dieser Welt einen neuen Trend zum falsch angewandten Superlativ zu beklagen. Das hat sicher seine Gründe. Wen wundert es denn im Jahrzehnt der kommunalen Superstars, daß Allerweltsumstände von Allerweltssprechern mit extraordinären Attributen versehen werden? Doch selbst eine versuchte Erklärbarkeit macht das Unerträgliche (das ja an sich auch schon nicht mehr zu steigern ist) nicht besser.

Fangen wir also bei Bewunderungsfloskeln an, wie sie dem gemeinen Volke vor allem durch die ihrer Verdummungsfunktion immer besser nachkommenden Massenmedien eingeimpft werden: Da sagt eine 17jährige in einer als Musikmagazin getarnten Vorabendsendung, sie fände die Band Natural deswegen so gut, weil deren Mitglieder "einfach die perfektesten Stimmen" hätten. Wie jeder Mensch, dem Ohren am Kopf kleben und der ein Hirn herumträgt, sofort begreifen sollte, ist dies nicht nur faktisch falsch, sondern auch sprachlich eine Katastrophe. Ähnliches versucht ein 30jähriger Maurer in einer Quizshow, indem er den falschen Superlativ "Super-GAU" wieder aufleben läßt - als gäbe es eine Steigerung des "größten anzunehmenden Unfalls". (Na gut, Michael Jacksons Nase vielleicht, aber das ist eine andere Geschichte...)

Eine ansonsten durchaus sprachbegabte Blumenhändlerin aus der Wohngegend des Misanthropen tut sich mit adverbialen Superlativen schwer und neigt - wie das auch die Masse pflegt - dazu, das Partizip zu steigern. "Der nahgelegenste Supermarkt ist in der Ritterstraße" gibt sie Auskunft. Oder sie sagt: "Das vielgelesenste Buch des letzten Jahres hat Dieter Bohlen geschrieben." Ich weiß, daß Sie mir die Nennung der korrekten Formen an dieser Stelle übelnehmen werden, und verschweige Ihnen daher weder "nächstgelegen" noch "meistgelesen". Sie sollen ja auch was lernen dürfen.

Selbst beim unauffälligen Komparativ sind örtliche und räumliche Falschbildungen neuerdings immer häufiger festzustellen. Aus der Sicht des Misanthropen ist dies ein klarer Beleg für die egomanische Geltungssucht einer Kohorte Kulturloser, die meint, daß Sprachgewalt etwas mit dem Bau von Wolkenkratzern gemein hätte. "Ich finde Heikos Leistung herausragender als die von Marcel" ist ein gutes Beispiel. Und "Das war das außergewöhnlichste Essen der letzten vierzehn Monate" ist leider auch äußerst gewöhnlich. Wer weiß heute schon noch, daß Wörter wie "mindestens" oder "bestens" Superlative sind? Sie bestimmt nicht. Deswegen sind Sie jetzt auch rot geworden...

Der Misanthrop liebt das sprachliche Understatement und fühlt sich beim Genuß der Tiraden des Deutschprofis Wolf Schneider mit diesem seelenverwandt. Deswegen ist er noch nicht unbedingt ein schlechter Mensch - doch den absolutesten, mega-größtmöglichsten Zorn hat er im aktuellsten Moment auf Superlativierer, aber übelst!

Benny Denes

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