Kolumnen_Der Misanthrop: Der Neue von der Ex

Der Neue von der Ex

Meist fällt am Ende einer Beziehung die abgedroschene Phrase vom "Gute-Freunde-bleiben". Wieso man dieses Angebot nicht abschlagen sollte, weiß der Misanthrop...    28.10.2002

Simon ist doch wirklich ein abscheulicher Name für einen durchtrainierten, blonden Riesen mit porenloser Gesichtshaut und Lachfältchen, finden Sie nicht? Noch dazu schreibt der Typ gerade seine Doktorarbeit in Medizin und bewegt sich nur von den Büchern weg, wenn er für seine neue Liebste ein schönes Abendessen kochen will.

Zugegebenermaßen: Es ist nicht gerade einfach, dem neuen Partner der Ex auch nur mit dem Anschein von Objektivität gegenüberzutreten. Aber andererseits fällt doch am Ende einer Beziehung meist die abgedroschene Phrase vom "Gute-Freunde-bleiben". Tatsächlich erhofft sich zumindest einer der Beteiligten von diesem Klischee gewöhnlich nur postamouröse erotische Kontakte ohne emotionelle Neuverwicklung, dafür aber mit erfreulicher Routiniertheit. Diesem Plan steht in aller Regel der neue Partner der Ex entgegen: In sieben von zehn Fällen ist dieser sportlicher als man selbst, in acht von zehn Fällen beruflich ambitionierter, in neun von zehn Fällen finanziell wesentlich besser situiert - und in jedem Fall in der Gunst der Ex wesentlich weiter oben angesiedelt.

Abgesehen von dieser verachtenswert weltlichen Problematik erscheinen dem geübten Misanthropen übertriebene Blumengestecke außerhalb des Geburtstagsturnus höchst suspekt (vor allem, wenn sie von anderen überreicht werden). Man möchte dem bemitleidenswerten Neuen am liebsten diskret mitteilen, daß er seinen Aufwand spœtestens nach dem ersten Urlaub mit ihr bereuen wird. Ebenso anstößig muten die Aktivitäten des frischgebackenen Pœrchens an, das sich - noch voller Flausen in den verliebten Köpfchen - ins Nachtleben stürzt und sich "gleich wieder fünf Jahre jünger fühlt". Und geradezu ekelerregend wirkt der vom neuen Partner unermüdlich lancierte Austausch von Zärtlichkeiten in aller Öffentlichkeit. Aber weil der Kerl ja so ein Supermann ist und den gehörnten Ex nicht demütigen möchte, läßt er es in solchen Fällen bei jeweils drei, vier deshalb nicht minder erniedrigenden Küßchen bewenden. (Ein solches Verhalten erinnert stark an Mischlingsrüden, die ihr Revier markieren.)

Wenn der Neue von der Ex dann noch die Stirn hat, einen bei erstbester Gelegenheit zu fragen, ob es denn eh "o.k." für einen wäre, daß er mit ihr... - dann kann der Misanthrop nur entgegnen: Völlig o.k., das ist sowas von o.k., da fällt einem gar kein besserer Ausdruck dafür ein. Man freue sich ja auch für sie, daß sie solch einen wunderbaren Freund hat, der fast alles kann. Gewisse Zweifel habe man zwar schon gehabt, weil man immer wieder unschöne Dinge über den Intellekt von Medizinern hört und weil die Gute ja doch nicht ganz anspruchslos ist, aber so, wie es gekommen ist, nein, das ist wirklich sowas von o.k., kaum zu glauben.

In solchen Momenten sehen Misanthropen erwartungsvoll dem Tag entgegen, an dem sie die ersten sein werden, mit denen die (bald nicht mehr ganz so begeisterte) Ex den neuen Partner hintergeht. Man ist ja nicht umsonst befreundet geblieben.

Benny Denes

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