Kolumnen_Der Misanthrop: Die mit den Motto-Shirts...

Die mit den Motto-Shirts...

Hassen Sie nicht auch Typen, die sich für originell halten, nur weil Ihnen jemand einen dummen Spruch aufs Hemd gedruckt hat?    04.11.2003

Es ist schon unglaublich. Man könnte sich vor Lachen geradezu wegschmeißen, wenn man wieder einmal eines dieser T-Shirts sieht. So eines mit einem wahnsinnig geistreichen Spruch, das sich stolz über dem hervorragenden Bierbauch eines Großstadtbewohners im Freizeitmodus spannt oder auch lose am dürren Oberkörper eines pickligen Adoleszenten herumhängt. Herrgott, was ist das doch immer für ein Fest des gepflegten Humors!

Sie haben keine Ahnung, wovon Ihr Misanthrop da redet? Sie können sich an kein einziges passendes Beispiel erinnern? Ach, kommen Sie! Ein paar Kostproben gefällig? Aber gern. Betrachten Sie doch nur einmal die Leibchen-Auswahl beim Merchandising-Versand EMP. Dort werden dem geneigten Konsumenten etwa 100 verschiedene Sprüche-T-Shirts für kostengünstige 7 bis 18 Euro feilgeboten. Und genau dort findet man so richtig tolle Aufdrucke wie "Am 8. Tag schuf Gott das Bier, seitdem hört man nichts mehr von ihm" oder "AZUBI: Arsch zum Bier holen" oder auch "Solange mein Chef so tut, als würde er mich richtig bezahlen, solange tue ich so, als würde ich richtig arbeiten". Ahahahahahaahaaaaa... Entschuldigung, der Autor dieser Zeilen kugelt gerade hilflos lachend auf dem Boden herum. Aber es geht noch weiter, passen Sie auf: "Können Sie mal einen Schritt zur Seite gehen, ich weiß nicht, wie groß er wird". Und: "Wie hast Du eigentlich vor Deinem Unfall ausgesehen?" Und noch eines: "Ich Chef - Du nix". Na, bitte, jetzt schüttelt es Sie doch bestimmt auch schon vor unkontrollierter Heiterkeit, nicht wahr?

Das wirklich Schlimme an diesen auf minderwertigen Polyester-Shirts gedruckten Sinnlosigkeiten ist nicht ihre eingeborene Blödheit, sondern die Aufdringlichkeit, mit der sie (und ihre schamlosen Träger) dem belesenen Passanten begegnen. Während gerade die längeren Sprüche aus größerer Entfernung noch wie zufällig angeordnete geometrische Schweißflecken anmuten, erzielen die meist in fetten Großbuchstaben gehaltenen Debilitäten aus der Nähe die gleiche Wirkung wie ein tiefdekolletiertes Oberteil bei einer vollbusigen Frau: Man kann die Augen einfach nicht abwenden - selbst wenn das, was man da unaufgefordert vorgeführt bekommt, ganz und gar nicht sehenswert ist.

Und noch schlimmer als die zu Unrecht dekolletierten Damen fixieren die Motto-Shirt-Träger mit einem viel zu selbstbewußten, provokanten Blick aus ihrer Gesichtsruine den Entgegenkommenden, als wollten sie für die gebotene Belustigung eventuell auch noch ein Honorar fordern. Mit der deutschen Klamauksendung "Elton TV" (auf PRO7 - aber dies sollte keinesfalls als Empfehlung mißverstanden werden) erhielten die wandelnden Litfaßsäulen dann auch noch eine mediale Lobby auf dem Niveau von "arte für Pubertäre". Der Moderator dieser TV-Abartigkeit erscheint nämlich zu jeder Sendung in einem neuen Spaßhemd, wobei deren Beflockung wohl einen avantgardistischen Anspruch haben soll. Weil, haha, da heißt es zum Beispiel: "Bitte nicht füttern" oder "Eltern haften für ihre Kinder".

Motto-Shirts passen zum SMS-Zeitalter wie das Sauerkraut zur Haxe. Sie sind eine weitere kommunikative Grausamkeit unserer voll durchproletarisierten Informationsgesellschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, daß Hirnlose sich für Geld Botschaften kaufen können, die von ebenbürtig Hirn- und noch dazu Skrupellosen (aus der Marketing- oder gar "Kreativ"-Abteilung) auf gewöhnlichste Allerweltskleidung gebannt werden.

"Wer das beachtet, ist doof", wäre die schlichte Texttlösung des Misanthropen. Aber auf den hört ja wieder keiner...

Benny Denes

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