Kolumnen_Der Misanthrop: Geiziges Pack

Geiziges Pack

Für Sparefrohs wie diese hat die Industrie das Dummwort "Schnäppchen" erfunden - weil "Sonderangebot" zu viele Silben hat. Benjamin Denes rät wieder einmal zu gepflegter Distanz.    01.10.2003

Wie jämmerlich und abartig ist doch dieses Volk der Schnäppchenjäger und Preisverhandler, das es für einen Sport hält, immer so wenig Geld wie möglich auszugeben! Solche Gedanken kommen nicht nur dem auf Trinkgelder angewiesenen Dienstleister, sondern auch dem permanent arglosen Konsumenten, der das unerträgliche Benehmen seiner Mitkonsumenten vor dem Herrn ertragen muß.

Nehmen wir als Beispiel eine Schuhabteilung: Sie kennen doch sicher diese Mittdreißigerfrauen, die - wie von einer Schilddrüsenüberfunktion geplagt - übertrieben nervös und hektisch die Exponate heben, drehen und wenden. "Hmm, da ist beim linken Schuh aber das Leder etwas heller als beim rechten", sagen die Damen dann zu genervten Kassierern, denen man nicht nur, aber gerade in solchen Augenblicken mehr Schlagfertigkeit wünscht. "Also, für 15 Euro weniger würde ich die Schuhe ja nehmen", lautet sinngemäß der absolut vorhersehbare Bettelsatz, für den sich diese Geizkräginnen dann meist entscheiden. Und viel zu oft bekommen sie anschließend tatsächlich, was sie sich erhofften. Warum antworten die Kaufhausmitarbeiter in solchen Momenten nicht einfach: "Ich glaube, Sie sollten sich eher bei unseren Angeboten umsehen; diese Schuhe scheinen mir fast etwas zu elegant für Sie." Furchtbar sind auch Restaurantbesucher, die beim Bezahlen nach einem Schnaps auf Rechnung des Hauses fragen. Mit einem plumpen Lächeln, das sie selbst wohl für nonchalant halten, teilen die ekligen Schnorrer nur zu gerne ihre Präferenzen mit: " ´nen schönen Grappa oder so?" Erfahrene Kellner demütigen diese Menschen gern dadurch, daß sie ihnen die ganze Flasche ohne die dazugehörigen Gläser vor die spitze Nase stellen. Ins gleiche Ressort fallen auch die "Punktlander" beim Trinkgeld. Angehörige besagter Spezies drücken bei einer Rechnung von 5, 50 Euro der Bedienung sechs Euro mit dem lässig gesprochenen Kommentar "5,90, bitte" in die Hand. Kommt man dann zufällig in die mißliche Lage, ihre Gespräche beim Verlassen des Lokals mitverfolgen zu müssen, vernimmt man zutiefst banale Erkenntnisse wie "Da hat er sich aber gefreut - heutzutage geben die Leute ja einfach keinen Tip mehr."

Am schlimmsten findet der Misanthrop aber jenes gierige Pack, daß erst in einem normalen Supermarkt einkaufen geht, um dann - vollbepackt mit vier Beuteln - noch schnell zum überfüllten Discounter zu laufen, wo die um zehn Prozent billigeren Kekse erstanden werden. Es handelt sich dabei um genau den Menschenschlag, der an der Kasse lang und breit mit den Angestellten darüber diskutiert, daß dieser oder jener Artikel in einer anderen Filiale um sechs Cent billiger angeboten würde.

Wer etwas kauft, sollte vorher genau die Preise studieren und beim Bezahlen einfach die entsprechende Summe übergeben. Oder sich gar nicht um derart weltliche Banalitäten kümmern... Als gestandener Menschenfeind verachtet man jedenfalls die würdelosen Charaktermutationen, die mit aller Macht hohes Ansehen und schickes Auftreten zu erzielen versuchen, um dann bei der erstbesten Gelegenheit um Groschenbeträge zu feilschen. Dieses Pack hat noch nie das gute Gefühl beim Verschleudern horrender Beträge und beim dekadenten Trinkgeldgeben im 20-Prozent-Bereich erlebt. Es leidet gerechterweise unter Magengeschwüren und Mundfäule - und muß obendrein meist Brillen tragen, weil es immer die schlecht lesbaren Annoncenbeilagen der Tageszeitung durchackert.

Sparen wir uns diese Leute doch einfach.

Benny Denes

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