Kolumnen_Der Misanthrop: Megaeventianer

Megaeventianer

Wenn man sich schon mit dem Mainstream auseinandersetzt, muß man auch differenzieren: Manche Fans bleiben einem Produkt auf Jahre hinaus treu. Andere wiederum übertreiben.    24.02.2003

Im Feuilleton ist es eine gute Tradition auf den Mainstream zu schimpfen, da bildet unser kleines Magazin ganz sicher keine Ausnahme. Dabei wird von der selbst oft den simplen Genüssen zugeneigten Autorenschaft oft eine notwendige Differenzierung ausgelassen. Es gibt die Mainstream-Fans, die einem Produkt wie z.B. einer Boygroup oder einem Fußballverein auf Monate und Jahre treu sind. Dann gibt es die verabscheuenswerte Gruppe der Megaeventianer, die Wendehälse der Unterhaltungsleidenschaft, die Trends adaptieren und abschütteln wie ein starker Raucher seinen eitrigen Auswurf.

Betrachten wir beispielsweise den Fußball. Manche Männer glauben bei Frauen dadurch punkten zu können, daß sie drei Jahre und 11 Wochen lang behaupten, diesen Sport wirklich zu hassen, zumindest ihn langweilig zu finden. Kaum spielen "unsere Jungs" bei der WM werden sie zu den größten Experten, die sich durch peinliches Fußball-Trivialwissen im Kreise der Mainstreamtreuen profilieren wollen. Diese Spezies ist es dann auch, die laut grölend obsolete Anfeuerungsrufe skandieren, während die wahren Fans taktisch analysierend das Spielgeschehen auf der Großbildleinwand sezieren.

Auch im Musiksektor kennt man Megaeventianer. Den Teufelskreis einer geliebten, von den Massen lange unentdeckten Band, der man von Herzen viel Erfolg wünscht - nicht den Idioten, die das finanziert haben - haben viele Musikkenner schon erlebt. Man kann auch zu Acts wie DJ Bobo oder Reamonn ein fast intellektuelles Verhältnis aufbauen, wird dann aber auf stupiden Massenbeschallungsevents von Megaventianern und kulturellen Wendehälsen darüber aufgeklärt, daß sie ja die größten Fans des entsprechenden Acts seien. Auch hier gibt es klare Symptome: Wenn beispielsweise nur der Text der Singleauskopplung mitgesungen wird und dann noch fehlerhaft, steht ein Megaeventianer vor einem.

Der Misanthrop macht sich stark für ein neues Paradigma der Populärkulturkritik, er ist für die Verbannung der Megaeventianer auf einen Ort, an dem die einzigen Fußballspiele WM-Partien sind und jährlich einmal ein Festival mit Megaacts stattfindet. Dort kann es dann den Streit um die größten, besten und meisten Fans geben. Yeah!

Benny Denes

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