Kolumnen_Der Misanthrop: Michelin-Society

Michelin Society

Daunenjacken - diese unförmige Variante postmoderner Großstadtmode verunstaltet die vormals von schönen Mänteln und Blousons gewärmte Gesellschaft. So ist das.    03.02.2003

Das folgende Stück über Wintermode mag widersinnig wirken, geben doch Misanthropen normalerweise nicht allzu viel Acht auf Äußerlichkeiten! Nun sind aber auch Misanthropen denselbigen ausgesetzt und gerade im Bereich der Jacken bot der ablaufende Winter schreckliche Ansichten.

Da wäre zuvorderst die bereits seit einigen Jahren wieder in Mode gekommene Daunenjacke zu nennen, die in den stylishen Varianten postmoderner Urbanisationen vor allem zierliche junge Frauen verunstaltet und dem Misanthropen ein multiples dejà vu des Michelin-Männchens (selbstverständlich auf Deutsch ausgesprochen) verschaffen. Meist sind diese Stücke blau oder schwarz und glänzen synthetisch. Allzu groß ist das Erstaunen, wenn man dann beispielsweise in der U-Bahn oder in einem Café solch ein gestepptes Plusterungetüm dabei beobachtet, wie es seine Daunenjacke auszieht. Nicht selten tragen die modisch derart verwirrten nämlich nur ein T-Shirt und eine Hüfthose darunter. Der Misanthrop notiert sich in diesen Situationen stets das Wort "Blasen- und Harnleiterentzündung" in seinen Notizblock.

Doch auch weniger voluminöse Jacken verunstalten die vormals von schönen Mänteln und geschmackvollen Blousons gewärmte Gesellschaft. In der Heimatstadt des Misanthropen ist der Krieg zwischen zwei Prolojacken-Herstellern ausgebrochen, "Cordon" vs. "Picaldi". Jede winterliche Grausamkeit wie Kunstlederknautschzonen und Bomber- und Collegeverschnitte wird von den skrupellosen Manipulatoren der eminemesken und vom Kretinismus befallenen Jugend geliefert. Dabei kommt es bei den nicht unter 120,- Euro kostenden Hässlichkeiten vor allem auf den überdimensionalen Schriftbogen auf dem Rücken an.

Letztens wurde der Misanthrop in eine Unterhaltung mit einer räudigen Streetgang involviert und fragte einen (Kunst-)Lederjackenträger nach der Bedeutung des Namens "Cordon". "Kommt das von Cordon Bleu oder vielleicht sogar vom Cordon Sanitaire?" Der Angesprochene hatte die Antwort parat: "Ey, kennsu nisch? Cordon Brown." In diesem Rahmen, dachte sich der Misanthrop, haben selbst die Michelin-Männchen noch einige Vorzüge.

Benny Denes

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