Kolumnen_Der Misanthrop: Nichtraucher

Nichtraucher

Man kennt das ja: Da hat man ein Wochenende frei - und schon muß man jemanden treffen, den man nicht treffen will. Und der ist womöglich noch Nikotingegner...    26.08.2002

Eigentlich plant man seine Wochenenden ja immer schlecht.

Wenn sich schon einmal die Gelegenheit auftut, zum ersten Mal seit drei Monaten von Freitag bis Sonntag freizumachen, dann realisiert man dies garantiert erst am Donnerstag. Und dann ruft noch ein "guter Freund" von früher an, den man genau einmal im Jahr trifft - nämlich bei seiner Geburtstagsparty (zur eigenen würde man ihn nie einladen).

"JA, HALLO!" brüllt der Kerl durch den Äther. "Mensch, ist doch immer wieder schön, deine rauchige Telefonstimme zu hören. Hier ist der Frank!"

Der Frank? Hassen Sie nicht auch diese Menschen, die nie gelernt haben, sich ordentlich am Telefon zu melden? Begrüßung, Vorname, Nachname, eventuell ein Stichwort zur Erinnerung; das ist nicht schwer zu behalten, überfordert jedoch weite Teile der telefonierenden Gesellschaft.

Jedenfalls hat der Frank schon wieder Geburtstag. Ich soll doch kommen, meint er, und eine scharfe Sauce zum Dippen mitbringen, weil: "Wir feiern mexikanisch!" Es war wohl nicht sehr diplomatisch von mir, darauf mit einem gereizten "Schon wieder?" zu antworten; aber ich hatte die beiden todlangweiligen Feiern der Vorjahre, bei denen man sich kulinarisch der Eßkultur Frankreichs und Italiens zu widmen vorgegeben hatte, tatsächlich total verdrängt.

Sechs Minuten nach meinem Eintreffen auf der Party stellt sich die Langeweile prompt wieder ein - wie ein schlechter alter Freund. Das Bier ist warm, die anderen Gäste erzählen denselben Schwachsinn wie in den letzten Jahren. Ich sehe mich also geradezu gezwungen, meinen üblichen Partyspaß loszulassen, indem ich neben zwei vehementen Nichtraucherinnen Platz nehme, mir eine Zigarette anstecke und den Rauch genüßlich in ihre Richtung ausatme. Der Marlboro-Mann reitet wieder.

"Entschuldige... Entschuldige?" sagt die eine zu mir, während die andere spitzlippig den Kopf schüttelt. "Hier ist aber Nichtraucher!" Ich wende mich den beiden Sensibelchen zu und frage scheinheilig: "Ach so? Wo ist er denn, der Hier? Und seit wann raucht er nicht mehr?" Angesichts meiner weitaufgerissenen Augen, die mich wie einen verstörten Manga-Helden aussehen lassen, suchen die beiden Damen schleunigst das Weite.

Aber da naht auch schon Frank. Er will seine Sauce (verständlich, wenn er schon kein Geschenk gekriegt hat). Ich blase ihm wortlos etwas Rauch ins Gesicht und beobachte, wie die zwei Vertriebenen beflissen und mit je einem Keramikschälchen bewehrt an den Gastgeber herantreten. "Wir haben Saucen", sagen sie und werfen mir einen vorwurfsvollen Blick zu. "Tomate und Tsatsiki, das ist doch was!"

An diesem Punkt gibt es einfach kein Zurück mehr. Ich erhebe mich würdevoll, asche in die eine Schale und versenke die Kippe in der anderen. "Sollte doch scharf sein, oder?" Abgang nach links. Vorhang.

Eigentlich finde ich Wochenenden mit Arbeit viel angenehmer. Da kann man sich wenigstens sicher sein, nicht allzuviele Nichtraucher zu treffen.

Benny Denes

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